Spätestens seit der Verkündigung eines Sparplans an Treibstoff am 12. September über die Fernsehsendung „Mesa Redonda“ (dt. runder Tisch), an der sowohl der Präsident Kubas Díaz-Canel, als auch wichtige Minister für Wirtschaft, Energie und Verkehr teilnahmen, sind im ganzen Land Knappheiten zu spüren. Es sind die Bestrebungen insbesondere der US-amerikanischen Regierung unter Donald Trump, die wichtigen Treibstofflieferungen zu verhindern, die sich nun ganz besonders im knappen öffentlichen Verkehr, aber auch in Strom- und Wasserversorgung der Bevölkerung bemerkbar machen. An einigen Bushaltestellen sind nun Polizisten eingesetzt, die die vielen Wartenden an den Haltestellen orientieren sollen, beschwichtigen und dafür sorgen, dass der Einstieg in die knappen Verkehrsmittel nicht im Chaos verläuft. An der CUJAE wird von nun an nur noch drei Tage die Woche Unterricht gegeben, um Stromverbrauch und Arbeitswege zu sparen und erneut haben die Studentenunterkünfte, das Edificio 700 eingeschlossen, mehrere Stunden am Tag keinen Strom mehr. Wieder einmal heißt es auf Kuba: Ausnahmesituation und überall im Land werden Veranstaltungen organisiert, um sich gegenseitig zu bestärken. Dennoch: dass es so wenig Benzin gibt, dass es vermehrt zu Stromausfällen kommen kann oder wie im Fall der CUJAE gar einige Stunden täglich der Strom abgeschaltet wird; all das erinnert einige an Zeiten der sogenannten Período Especial. Zu dieser Zeit, die ihren Höhepunkt Anfang der 1990er Jahre hatte, waren die Nöte und Knappheiten um einiges akuter, wird in Gesprächen mit jenen, die sie miterlebt haben, sofort deutlich gemacht; doch auch dieses seien Zeiten, in denen Zusammenhalt besonders wichtig ist.
Passend zu den Zeiten läuft gerade der Film „Un Traductor“ (dt. Ein Übersetzer) kubanisch-kanadischer Produktion in den kubanischen Kinos [1]. Ein Film, der genau zum Zeitpunkt des Zusammenfalls der Sowjetunion spielt, also genau dann, als in Kuba ein Großteil der Wirtschaftswege einstürzt und somit große Lücken in der Versorgung aufkommen. Doch der Kern des Filmes, der auf wahren Begebenheiten beruht, ist ein anderer, denn 1990 beginnt genau gleichzeitig eines der zahlreichen internationalen Gesundheitsprogramme des Landes, die während des Bestehens der kubanischen Revolution aufgezogen wurden.
Vier Jahre zuvor hatte es in Tschernobyl in der Ukraine die große Reaktorexplosion gegeben, durch die riesige Mengen an radioaktiver Strahlung in die Atmosphäre gelangten. So kamen über 8 Millionen Menschen mit zu hoher Radioaktivität in Berührung. Millionen Menschen zeigten in den Jahren darauf Anzeichen von Strahlenkrankheiten – unter ihnen 500.000 Kinder. Während international Geld gesammelt wurde, um den zerstörten Kernreaktor abzuschirmen und in Programme investiert wurde, die insbesondere den Kindern zweiwöchige Ferien zur Erholung an unterschiedlichen Orten ermöglichen sollten, ist es unter anderem Kuba, das die Behandlung strahlenkranker Kinder auf sich nimmt.
Ab 1990 werden 25.000 Personen und davon mehrheitlich Kinder in den Karibikstaat gebracht und nahe Havanna in einem ehemaligen Urlaubsresort, das vor der Revolution der höheren Mittelschicht diente, untergebracht. Auch andere Krankenhäuser Havannas werden ja nach Krankheitstyp genutzt, um der Behandlung der Patient*innen möglichst gerecht zu werden. Auch Psychotherapien werden angewandt. Kosten der Behandlungen und Unterbringung bezahlt komplett der kubanische Staat. Lediglich der Transport nach Kuba muss von den Heimatländern oder Patient*innen aufgebracht werden. Um den Bedürfnissen insbesondere der Kinder entgegenzukommen, arbeitet ein großes Team an Ärzt*innen, Kinderärzt*innen, Psycholog*innen, Epidemiolog*innen, Krankenpfleger*innen und Übersetzer*innen.
Der Film, der momentan in den Kinos läuft, handelt von Malin, einem Russischprofessoren an der Universität Havanna, der zusammen mit anderen Professor*innen vom Staat den Auftrag bekommt, den anfänglichen Mangel an Übersetzenden aufzufangen und mit eben jenen sowjetischen Kindern zu arbeiten, die sich für zumindest einige Wochen in Behandlung befinden. Es sind keine leichten Zeiten, nicht für Malin, nicht für die Familie des Übersetzers und nicht für den Staat Kuba und dessen Bevölkerung. Doch schlussendlich werden die Mittel aufgebracht, um trotz allen Nöten auch jenen entgegenzukommen, die Hilfe und Unterstützung auch dringend benötigen. Wie der Leiter des medizinischen Programmes, Dr. Julio Medina, es formuliert: „Viele Leute, die unsere Ideale nicht verstehen, fragen sich immer noch, was Kuba mit dem hier verfolgt. […] Es ist einfach: wir geben nicht, was uns übrigbleibt, wir teilen von dem, was wir haben.“
Vielleicht ist es gut, dass dieser Film gerade jetzt in den Kinos erscheint. Er erinnert an andere Zeiten, die nicht zu glorifizieren sind, auch innerhalb der kubanischen Bevölkerung diskutiert wurden, und die wohl doch auch von Menschlichkeit und Solidarität geprägt waren.
Vielleichte eine der passendsten Zusammenfassungen der Hilfestellungen, die Kuba nach der Kernschmelze insbesondere den betroffenen Menschen geboten hat, kommt von dem Expräsidenten der Ukraine Leonid Kuchma, der kurz vor dem Ende des medizinischen Programmes im Jahr 2011 formulierte:
„Während viele andere Länder, reiche Länder, ihr Mitgefühl gezeigt haben, hat Kuba seine Solidarität gezeigt und dabei geholfen, den Gesundheitszustand von tausenden ukrainischen Kindern und Jugendlichen anzuheben und ihr Leben zu retten.“ [2]
(Mientras muchos otros países, países ricos, han mostrado compasión, Cuba ha demostrado su solidaridad, ayudando a elevar el nivel de salud y salvando la vida de miles de niños y jóvenes ucranianos.)
Dieser Artikel wurde von Jo geschrieben. Mehr Artikel findest du hier.
[1] Aus dem Proyecto hatten bereits Anfang des Jahres einige die Möglichkeit, sich diesen Film anzuschauen. Eine Rezension und genauere Zusammenfassung des Filmes, die so entstanden ist, findest du hier.
[2] Ein Großteil der Informationen in diesem Artikel ist dem Buch „Salud Pública Sin Fronteras – Para entender la cooperación médica internacional de Cuba“ von John M. Kirk entnommen.
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