Seit Ende Oktober wohnt unsere Projektgruppe nun schon auf dem Campus der größten technischen Universität Kubas. Gleich neben den voll besetzten Studentenwohnheimen steht das „Edificio 700“, auch bekannt als Casa Tamara Bunke, in dem mit uns nun schon die dritte Gruppe des Proyectos lebt. Der volle Name der CUJAE lautet „Universidad Tecnológica de La Habana José Antonio Echeverría“. Sie bietet momentan mehr als 7000 Studenten die Möglichkeit, die verschiedensten Disziplinen im Bereich des Ingenieurwesens oder auch Architektur zu studieren.
Am 2. Dezember 1964 gegründet, ist der zu Beginn noch als „Ciudad Universitaria“ (universitäre Stadt) bezeichnete Unicampus mittlerweile in die Jahre gekommen. Bei einem Rundgang über das weitläufige Gelände wirkt die CUJAE wie ein Ort, dessen Blütezeit in einer vergangenen Epoche gewesen zu sein scheint: einige der weit über 40 Gebäude stehen leer oder sind sogar bis auf die Grundmauern zurückgebaut, Flure in den Fakultäten sind verbarrikadiert, Tische und Stühle mit einer Staubschicht bedeckt und es fehlen nicht selten sowohl Fenster als auch Türen.
Ein gegensätzlicher Eindruck entsteht, wenn man die unzähligen Student_innen und Professor_innen beobachtet, die jeden Morgen durch einen der drei Zivileingänge in den Campus strömen, um in ihrer Fakultät dem Rhythmus des Unialltags zu folgen. Es finden fast wöchentlich öffentliche Veranstaltungen statt, die von dem Tag der offenen Tür über die jährliche Gedenkfeier anlässlich des Todes Fidel Castros („desaparición física“) bis zu einem Informationsaustausch über die aktuelle Lage in Bolivien viel Zulauf finden. Anfang Dezember wurde zudem der 55. Geburtstag der CUJAE gebührend gefeiert, indem die Verantwortlichen eine Jubiläumsfeier in dem 5500 Zuschauer fassenden Karl Marx-Theater organisierten, zu der das national bekannte Orchester „Los Van Van“ eingeladen wurde.
Bei einem Rundgang über den Campus konnte ich es mir nicht nehmen lassen, einige Aufnahmen zu machen, die den aktuellen Zustand der Universität zeigen. Wie hinter der bröckelnden Fassade ein reges Unileben stattfinden kann, ist nicht nur mir immer wieder ein Rätsel. Es erfordert eine gesunde Portion Geduld gepaart mit kreativem Pragmatismus, hier eine nachhaltige Lernsituation aufrechtzuerhalten. Wie es die Kubaner_innen auch weit über den Unikontext hinaus schaffen, mit den wenigen vorhandenen Ressourcen eine funktionierende Gesellschaft zu etablieren, bringt mich das ein ums andere Mal zum Staunen.
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Lieber Simon, Du siehst das mit europäischen Augen. Cuba ist ein 3.Welt-Land, in dem niemand mehr hungert, und das Jahrzehnte der zerstörerischen Blockade die Stirn geboten hat. Na ja, ein bisschen mehr könnten die Kubaner schon anfassen… aber das ist schon wieder europäisch…. Solidarische Grüße Elfi Padovan aus München
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