Alle paar Tage ist es soweit. Da legt sich nebelartiger Smog um das Gelände der CUJAE, macht das Atmen ein wenig unangenehmer, setzt sich in unserer frisch zum Trocknen aufgehängten Wäsche fest. Es ist ein großer Müllberg, der einige hundert Meter von der Universität in Abständen von einigen Tagen angezündet wird und dessen schwelenden Ausdünstungen bei ungünstig stehendem Wind auch den Studierenden zur Last fallen. Aus den höheren Stockwerken einiger Universitätsgebäude heraus kann man ihn besonders gut sehen, sieht die Vögel, die ihn umkreisen und den leichten Dampf, der immer aufsteigt. Diese Art der Müllentsorgung ist nicht unüblich in Kuba. Auch während unseres Aufenthaltes auf der Isla de la Juventud haben wir diese Erfahrung gemacht, als unser Müll neben der Unterkunft verbrannt wurde.
Doch es ist nicht das einzige Phänomen, an dem sich die Müllsituation Kubas bemerkbar macht. Insbesondere die Straßen Havannas sind gerne gesäumt von Abfällen. Plastikflaschen, Dosen von Erfrischungsgetränken und diversen Biersorten, Plastiktüten, Pappkartons; alles was eben so anfällt im Alltag, lässt sich dort wiederfinden. Mülleimer gibt es wenige. Das verleitet dazu, eigenen Müll einfach schnell auf die Straße zu werfen. Dafür steht an einigen Hausblöcken gleich eine ganze Ansammlung an meist sehr vollen Müllcontainern herum, die ihren Geruch in der nahen Umgebung verbreitend. In Bussen wird auch schon einmal die Verpackung eines ausgetrunkenen refrescos an die am nahesten am Fenster stehende Person weitergereicht, damit diese den Müll hinauswerfen kann.
Doch an allen Ecken und Enden regt sich etwas.
Immer wieder stoße ich bei kurzer Lektüre der „Juventud Rebelde“ oder einer der anderen Tageszeitungen, die man sich für 0,20 Peso Cubano (umgerechnet weniger als 1 Eurocent) kaufen kann auf Artikel, die die Müllentsorgungssituation Kubas thematisieren. Gerade kürzlich sind über zwanzig neue Müllwägen aus Japan für den Einsatz in Havanna eingetroffen und sollen die Arbeit erleichtern. Insgesamt sind es hundert Stück, die die japanische Regierung Kuba gespendet hat und die nach und nach im Land ankommen sollen. Es wird außerdem immer wieder auf die Gesundheitsgefährdung von großen Müllansammlungen, die Ungeziefer anziehen können, aufmerksam gemacht und an die Bevölkerung appelliert, dem eigenen Bewusstsein nachzugehen und Müllentsorgung ernst zu nehmen.
Mit staatlichen Institutionen, wie der Vereinigung von Unternehmen zur Wiederverwertung von Rohstoffen (UERMP) soll versucht werden, den Prozess des Recyclings noch effektiver zu gestalten. Großer Ehrgeiz ist es, mithilfe recycelter Materialien, die sonst als Müll enden würden, die Menge nötiger Importe zu mindern und Kuba innerhalb der weiter existierenden Wirtschaftsblockade weniger abhängig von oft wackeligen oder boykottierten Abkommen zu machen.
Die Welt, in der wir leben…
An Grundschulen gibt es das Unterrichtsfach „El Mundo en que Vivimos“. In diesem soll den neuesten Teilnehmer*innen am Bildungssystem Umweltbewusstsein schon von Anfang an nahe gelegt werden. Auf der Isla de la Juventud waren wir ganz zu Anfang bei einem Projekt zu Besuch, dass nicht nur Grundschüler*innen, sondern teilweise auch noch jüngeren Kindern Recycling und Umweltschutz nahebringen soll: das Proyecto Manantial. Uns wurden dort von den Kindern selbstgebastelte Kostüme aus recyceltem Material wie Dosen, Zeitungspapier oder Pappe vorgeführt. Außerdem organisiert das Projekt gemeinschaftliche Flusssäuberungen in der Gegend; auch gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen vor Ort.
Bei Diskussionsrunden mit Mitgliedern der kommunistischen Jugendorganisation UJC an der CUJAE ist das Thema der Müllentsorgung auch immer wieder aufgetaucht. Alle würden die Situation gerne verbessert haben. Es wird etwa gerade an einem Papierrecyclesystem gearbeitet. Auf dem Universitätsgelände sollen in Kürze noch mehr Mülleimer aufgestellt werden. Momentan gibt es nur wenige im Haupteingangsbereich und vereinzelte Container. Immer wieder werden von der Jugendorganisation Reinigungsaktionen an Flüssen und Stränden organisiert, um das Bewusstsein der Jugendlichen für Umweltverschmutzung zu schärfen.
Auch der neuere privatwirtschaftliche Sektor Kubas hat sich dem Thema bereits angenommen. Bei einem Spaziergang durch La Habana Vieja stoßen wir auf gleich zwei Läden, die sich damit kennzeichnen, recycelte Klamotten oder Dekogegenstände anzubieten. „Die Materialien, wie zum Beispiel Gemüsesäcke, bekommen wir von Läden aus dem Viertel“, erzählt uns der Verkäufer einer der Läden.
Und doch, es wird noch einiges zu tun und auszudiskutieren geben…
…wie die Gespräche mit etlichen Bekannten zeigen. Der Grundtonus ist ähnlich: trotz aller staatlichen Bemühungen über den Bildungssektor oder strukturelle Veränderungen eine Verbesserung der Müllsituation Kubas zu erzeugen: viele Menschen in Kuba würden sich wenige Gedanken zum Umweltschutz machen. Im Endeffekt sei es eben doch stark die Familie, die entsprechende Werte vermitteln müsste, wird uns gesagt. Und der Wunsch nach höheren Geldstrafen auf das Verschmutzen der Umgebung mit Müll wird öfter laut.
Ob dies nun ein richtiger Lösungsansatz für Kuba ist, ist sicherlich verhandelbar. Es ist jedenfalls interessant, all die verschiedenen Ansätze und Ansatzmöglichkeiten aus der kubanischen Gesellschaft heraus mitzubekommen. Dass Müll ein Problem in Kuba und ganz vor allen Dingen in Havanna darstellt, ist bekannt und wird auf unterschiedlichste Art angegangen.
Dieser Artikel ist von Jo.
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