Als Tendencia, die bekannteste kubanische Metal-Band, in diesem Sommer durch die BRD tourte, hatten wir das Glück, sie nicht nur spielen zu sehen, sondern auch persönlich kennenzulernen.
Dementsprechend war für uns natürlich klar, dass wir auch eines ihrer Konzerte hier in Havanna besuchen wollten. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gab es schon, als wir zu einem späten Frühstück an unserem Liebligs-Frühstücks-Stand bei den Bistros vor der CUJAE waren und von zwei Metalern angesprochen wurden. Einer von ihnen, Sergio der Leadgitarrist von Tendencia, hatte uns wohl wiedererkannt. Plötzlich liefen hier ungewöhnlich viele Metaler*innen rum, da der Bandbus hier eine kleine Pause eingelegt hatte. Die Bistros liegen von Pinar del Rio aus kommend, wo der Großteil der Band beheimatet ist, auf der Einfallstraße nach Havanna. Wir wurden begrüßt und bekamen das Angebot, mit in die Stadt genommen zu werden, welches wir aufgrund anderer Pläne aber ablehnen mussten.
Nach dem Abendessen gingen wir dann aber zum Maxim Rock, wo das Konzert stattfinden sollte. Als wir davor noch eben eine Cola mit Rum und ein Bier leeren wollten, kamen wir mit einem Typen ins Gespräch. Als er hörte, dass wir Freunde von Kiko von Tendencia seien und auf der Gästeliste stehen, meinte er, er kenne die Securities. Es ging mit unseren Getränken in der Hand rein und direkt weiter ins Backstage. Wir freuten uns, nun die gesamte Besetzung von Tendencia wiederzusehen. Von einer Art Empore mit Blick auf die Bühne, die auch zum Backstage gehörte, sahen wir die erste Band: eine Metal-Band aus Mexico, deren Name uns leider entging. Auch auf den Moshpit1 hatten wir von hier einen hervorragenden Blick. In diesem befanden sich ausschließlich männliche Typen, die zwar ordentlich am posen waren, hierbei jedoch kaum Körperkontakt hatten. Wenn doch, wurde aber durchaus nochmal nachgetreten. Das fanden wir aus Erfahrungen von Punk- und Metalkonzerten in Deutschland doch eher merkwürdig und stellten schon von oben fest, dass dies wohl kein Pit für uns sei. Später erfuhren wir auch, dass Leute, die zu brutal vorgingen, von Securities rausgezogen wurden.
Zum Konzert von Tendencia gingen wir dann vor die Bühne. Wir fanden den Auftritt und die intensive Interaktion mit dem Publikum großartig. Tendencia verstehen es, sauberen Metal mit klassisch-kubanischen Klängen zu verbinden. Das Ergebnis wird dem Publikum mit voller Energie präsentiert und ist entsprechend mitreißend. Die Leute neben uns teilten sehr großzügig ihren mitgebrachten Rum und feierten mit uns. Ein paar Frauen in der ersten Reihe versuchten, die langen Dreads des Sängers Anier zu berühren oder sich mit ihnen zu fotografieren. Einen Verkaufsstand mit Merchandise gab es nicht, dafür verschenkte die Band ihr aktuelles Album »Cargando Cruces« kurz vor Konzertende von der Bühne aus.
Nach dem Konzert quatschten wir noch ein wenig mit den Leuten von der Band, bevor die meisten von ihnen wieder nach Pinar del Rio aufbrechen würden. Das Stück bis zur CUJAE wurden wir im Bandbus mitgenommen und dann an den Bistros abgesetzt, was manche auch noch für einen schnellen Snack nutzten. Wir sahen dem abfahrenden Bus hinterher und gingen nach Hause.
Als wir uns von Deutschland aus etwas über Punk-, Metal- und Rock-Subkultur auf Kuba informieren wollten, lasen wir auf einigen deutsch- und englischsprachigen Webseiten doch tatsächlich, dass es soetwas hier nicht gäbe, teils sogar, dass sie hier verboten sei. Auch dort, wo das Rolling Stones Konzert 2016 in Havanna erwähnt wurde, wurde nicht ausgelassen zu erwähnen, dass es zwar kostenlos gewesen sei, sich sonst ja aber auch kein Kubaner das Ticket hätte leisten können. Das viele Leute in Deutschland das auch nicht können,2 wurde natürlich nicht erwähnt. Auch an den Meldungen, es gäbe auf Kuba keine Punk- und Metal-Subkultur kann irgendetwas nicht stimmen. So tourte im Jahr 2010 die deutsche Punk-Band Dritte Wahl durch Kuba, natürlich auch zusammen mit Tendencia. Auch die rügener Hardcore Band Cor ist hier bereits mehrfach getourt, wozu es sogar einen Dokumentarfilm gibt,3 und wird das im nächsten März ebenfalls zusammen mit Tendencia auch wieder tun.
Tendencia wird auch im folgenden Sommer 2019 wieder nach Deutschland kommen. Die Konzerte lohnen sich und Infos sind auf ihrer Website zu finden. Wir werden sie schon Anfang Dezember in Pinar del Rio wiedersehen.
(27.11.2018)
Dieser Artikel ist von Fiona & Meas.
1 Moshpit: zumeist rundliche Tanzfläche die innerhalb des Stehpublikums bei Punk- und Metalkonzerten entsteht und zum Pogen bzw. Moshen genutzt wird.
2 Die Tickets für das Roling Stones Konzert 2014 in Berlin kosteten z.B. 150 Euro aufwärts. Da es sehr schnell ausverkauft war, waren die Preise auf dem Schwarzmarkt natürlich entsprechen höher.
3 »CUBA COR LIBRE« (2015).