Als wir am 8. Oktober 2018 erfuhren, dass diejenigen Mitglieder unserer Gruppe, die aufgrund weitreichender Spanischkenntnisse einen anderen Kurs in dem Campus in Nueva Gerona besuchten, wegen einer Hurrikan-Warnung wieder zurück nach La Demajagua kommen würden, wurde uns kurz etwas mulmig. Unsere Gruppe war für einen Monat auf der Isla de la Juventud, 100 Kilometer südlich der kubanischen Hauptinsel, um zu Beginn des längeren Kuba-Aufenthalts zunächst einen Spanischkurs zu besuchen. Auch dieser fiel wegen der Hurrikan-Warnung aus.
Dafür kam extra der Direktor des Uni-Campus II in La Demajagua bei uns im Studierendenwohnheim vorbei und instruierte uns, wie wir uns vorbereiten sollen. Der Hurrikan Michael zog nicht direkt über die Isla, aber wir bekamen seine Auswirkungen zu spüren. Da wir alle Fenster geschlossen, uns mit Wasser und Lebensmittelvorräten eingedeckt und alle elektronischen Geräte noch einmal geladen hatten, war das aber nicht so dramatisch. Es hat fast den ganzen Tag über viel geregnet und war auch recht windig. Am Nachmittag fiel der Strom aus und kam auch erst am nächsten Tag wieder. Aber darauf waren wir ja vorbereitet und saßen dann halt mit einer Campinglampe zusammen. So richtig heftig wurde es erst später in der Nacht, als wir schon alle schliefen. Da zog ein Gewitter ziemlich direkt über uns und es war sehr stürmisch. Aber auch das legte sich bis zum Morgen. Das, was Leute im offenen Treppenhaus hatten liegen lassen, war natürlich nass geworden und auch in einige Räume kam etwas Regenwasser, aber ansonsten ist im Studierendenwohnheim nicht viel passiert.
Am nächsten Tag kam unsere Spanischlehrerin für den Unterricht extra ins Wohnheim, da der sonstige Unibetrieb noch nicht wieder aufgenommen wurde. Auch der Präsident des Campus und sogar die Rektorin der Universität kamen vorbei, um sich zu versichern, dass bei uns alles in Ordnung war. Wir erfuhren, dass 75% des Stromnetzes auf der Isla de la Juventud ausgefallen waren, das bis zum Abend hin aber repariert werden sollte. Wir durften, wie auch am Vortag, wieder in der Mensa für Angestellte des Campus zu Mittag und zu Abend Essen und mussten dafür nicht einmal zahlen. Am Nachmittag freuten wir uns dann alle, als wir wieder Strom hatten und es kehrte langsam wieder Normalität ein. Es war schön zu sehen, wie sich hier um uns gekümmert wurde, damit auch nichts passiert und wir mit allem versorgt sind. Interessant ist, dass das Hurrikan-Warnsystem hier recht früh zu greifen scheint. Es kommt uns so vor, als würde hier lieber einen Tag lang alles stillgelegt, als dass doch jemand draußen ist und zu Schaden kommt. In diesem Punkt sehen wir auch einen entscheidenden Unterschied zum Umgang mit Stürmen in Deutschland. Wo hier die Sicherheit der Menschen im Vordergrund steht, geht es dort lediglich darum, die Einbußen an Profiten möglichst gering zu halten. So müssen die Menschen in Deutschland auch bei heftigen Stürmen ihre Lohnarbeitsstellen aufsuchen. Regelmäßig werden während Unwettern Menschen auf dem Arbeitsweg von herabfallenden Ästen oder durch auf Autos stürzende Bäume erschlagen. Selbst da, wo durch Stürme bedingt dann kein Arbeitsbetrieb stattfindet, wie z.B. in Schulen, wird dies als nachzuholende Arbeitszeit berechnet, wie einer von uns aus eigenen Erfahrungen als Lehrer zu berichten weiß. Aus der Sicht von Kapitalist*innen mag das kubanische System in dieser Hinsicht sicher gruselig erscheinen. Aus sozialer Sicht ist es weit überlegen. Wir würden uns wünschen, dass bei Stürmen auch in Deutschland alles stillstehen würde, anstatt dass auch nur ein weiteres Leben unnötig gefährdet wird.