Eine kurze Abhandlung über Cubas Außenpolitik nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Ostblocks
Cuba und die EU
Fidel Castro, der Revolutionsführer der für einige als das letzte Relikt des kalten Krieges gilt und schon hundertfach totgesagt wurde, lächelt qicklebendig von den Auslagen der Zeitungsstände. Sogar eine ganze Fotoserie widmet sich ihm und seinem hochrangigen Besuch. Er empfängt niemand Geringeren als Francois Hollande, den Präsidenten Frankreichs, der mit einer Wirtschaftsdelegation und sieben Ministern angereist ist. Fidel, der sich 2006 aus gesundheitlichen Gründen von seinen politischen Ämtern zurückgezogen hat, kommt damit der Bitte Hollandes nach, der sich ein persönliches Treffen ihm gewünscht hatte. Doch nicht nur der französische Staatschef ist auf Reisen. Sein cubanisches Pendant Raúl Castro besuchte in der letzten Woche im Rahmen seiner Europareise einige wichtige europäische Staaten. Er nahm z.B. an der Siegesparade über den Faschismus in Moskau teil, sprach mit den Staatschefs Russlands und Italiens und scherzte mit dem Papst.
Das Verhältnis der EU zu Cuba ist jedoch tief gespalten, zwar hat Cuba inzwischen mit 18 von 28 EU-Staaten bilaterale Abkommen geschlossen, auf EU Ebene waren die Fronten jedoch trotzdem in den letzten 20 Jahren verhärtet. Grund hierfür ist der sogenannte „Gemeinsamer Standpunkt der EU“, der 1996 verabschiedet wurde und als Bedingungen für eine Kooperation eine Reformpolitik hin zu einer liberalen pluralistischen Demokratie setzt. Was einen Affront gegen die cubanische Demokratie und einen Versuch der Einmischung in die Politik eines souveränen Volkes darstellt. Auf der einen Seite stehen Länder wie Deutschland und Polen, die eine ähnliche „harte Linie“ wie die USA verfolgen und auf der anderen beispielweise Spanien und Italien, welche die engsten und längsten europäischen Handelspartner Cubas seit dem Zusammenbruch des Ostblocks darstellen. Im Moment beträgt der Handel mit allen EU-Staaten insgesamt 20% des cubanischen Außenhandels , was in Anbetracht der ökonomischen Stärke Europas moderat erscheint. Ein Grund mehr warum seitens Europa im Moment ein regelrechter „run“ auf Cuba losgetreten wurde. Insbesondere seit der diplomatischen Annäherung mit den USA geben sich immer mehr internationale Diplomaten und Vertreter, wie z.B. die EU Außenbeauftragte Mogherini, der italienische Staatssekretär für Handel, oder eben Hollande die „Klinke in die Hand“. Gerade weil der europäische Handel mit Cuba noch ausbaufähig ist, wollen viele Länder Europas auf sowie mit Cuba Geschäfte machen. Ein weiterer Punkt, der die Europäer unter Druck setzt, ist die Angst bei erfolgreichen Verhandlungen zwischen den USA und Cuba, wirtschaftlich in die „Röhre“ zu gucken.
Steht Cuba also vor dem Ausverkauf?
Ist Cuba also nur ein weiteres unterentwickeltes Land der dritten Welt, welches nun nach allen Regeln der ökonomischen Kunst „entwickelt“ und ausgebeutet wird? Eine oberflächliche Betrachtung lässt diesen Schluss vielleicht zu. In den letzten Jahren hat Cuba im Rahmen seiner Wirtschaftsaktualisierungen immer mehr Gesetze verabschiedet, die fremdes Kapital ins Land lassen und zahlreiche Partnerschaften geschlossen, die zu Zeiten des kalten Krieges undenkbar gewesen wären. Doch warum lassen sich auf dem sozialistischen Inselstaat nun von ausländischen Unternehmen Gewinne machen? Wer profitiert wirklich und welche Verhandlungsrolle hat Cuba heute auf dem internationalen Parkett? Die allseits prophezeite und gepriesene „Öffnung“ ist eigentlich gar keine, oder zumindest nicht diejenige, die einige sich erhoffen und als die sie die meisten verstehen. Der Großteil der Cubaner hat gemeinsam mit dem Staat einen Weg der Wirtschaftsaktualisierung eingeschlagen, welcher auf Cubas strukturelle wirtschaftliche Unterentwicklung eingeht. Es geht darum, diese nachhaltig zu überwinden und ein modernes sozialistisches Modell zu etablieren, was aus alten und neuen Elementen und Rezepten besteht. Die Grundproblematik besteht jedoch darin, dass ein Land, welches noch nie die Möglichkeit hatte sich wirtschaftlich frei und unabhängig zu Entwickeln, nicht die für eine Modernisierung nötigen Investitionen aufbringen kann. Die Gründe hierfür liegen in Jahrhunderte langer kolonialer Ausbäutung durch die Spanier und einer Eingliederung in die arbeitsteilige sozialistische Weltgemeinschaft unter Führung der Sowjetunion. Wobei beide Epochen vom Export von Monokulturen, wie bspw. dem Zucker, geprägt waren. Erschwerend, in der Vergangenheit fast vernichtend, kommt noch die völkerrechtswidrige Blockade der USA hinzu. Die Mittel, die gebraucht werden müssen, um die Wirtschaft so zu modernisieren, so dass sie produktiv und auf dem neuesten Stand der Technik ist, müssen also irgendwie akquiriert werden. Bei den Lineamentos geht es aber auch darum, neue sozialistische Wirtschaftskonzepte umsetzten zu können. Als Beispiele hierfür können der Ausbau des Genossenschaftswesens in der Landwirtschaft sowie seine Ausweitung auf den Dienstleistungssektor und Umstrukturierungen der Staatskonzerne dienen. Raúl Castro hat es auf dem letzten ALBA Gipfel folgendermaßen ausgedrückt: „Das Überleben des Sozialismus hängt von der Entwicklung der Produktivkräfte ab. Gleichzeitig sind die sozialen Programme der Revolution nicht ohne Wirtschaftskraft zu erhalten; dazu benötigt man (finanzielle) Ressourcen.“
Die Öffnung
Die sogenannte „Öffnung“ beschreibt also einen kontrollierten und geplanten Prozess der partiellen Kooperation mit ausländischem Kapital, der an strikte Regeln und eine Strategie geknüpft ist. Sektoren, in denen beispielsweise Kooperationen eingegangen werden, sind fast ausschließlich solche, die Devisen erwirtschaften, wie z.B. der Tourismussektor. Mit diesen Devisen erhält der Staat Handlungsspielräume, um die Wirtschaft die sich nach wie vor in seiner Hand befindet, nach seinen Vorstellungen zu entwickeln. Eine weitere Hauptsäule stellen Jointventures dar, in denen gemeinsam mit ausländischen Unternehmen, z.B. in der Sonderwirtschaftszone Mariel, gewirtschaftet wird. Dies hat auch den Vorteil des Technologietransfers, der mit den modernen Fabriken und Produktionsmitteln auf Cuba entsteht und auf den sich auch die cubanische Wirtschaft freuen kann. Cuba veröffentlicht einmal im Jahr die sogenannte „Cartera de Opertunidades“ (Mappe der Möglichkeiten), in der Industrieprojekte ausgeschrieben werden für die Investoren gesucht werden. Es gibt sogar die Möglichkeit, alleiniger Investor zu sein, was jedoch nicht bedeutet, dass man unabhängig vom Staat wirtschaften kann. Cuba schafft sich z.B. bei Veträgen ausreichend „Hintertüren und Schlupflöcher“, um niemals ins Hintertreffen zu geraten. So bleibt der Boden, auf dem die Fabriken stehen, zu jedem Zeitpunkt Staatsbesitz, mit allen damit verbundenen Rechten. Der cubanische Staat stellt auch immer die Fachkräfte, die zur Produktion nötig sind, was bei dem hohen Bildungsniveau der Cubaner kein Problem darstellt und Arbeitsplätze schafft. Die ausländischen Firmen und Investoren haben auch keine direkten Arbeitsverträge mit den cubanischen Arbeitern, diese werden über staatliche Agenturen wie ACORAS beschäftigt. Die Agenturen wickeln auch Lohnzahlungen und ähnliche Dinge ab, um den Einfluss der Unternehmen und beispielsweise die Lohndifferenz zur normal werktätigen Bevölkerung nicht ausarten zu lassen. Auch wenn der Staat einen Großteil dessen, was der Investor zahlen muss, einbehält, lohnt sich auch für den einfachen Arbeiter das Geschäft, da er immer noch einen vergleichsweise üppigen Lohn verdient. Das bereits erwähnte langfristige sozialistische Ziel ist, die cubanische Ökonomie mit den erwirtschafteten Devisen und der Technologie weiterzuentwickeln und mit neuen Konzepten zu modernisieren, sodass Cuba wirtschaftlich unabhängig und produktiv wird. Nötig sind dafür laut den aktuellen Berechnungen des Planungsministeriums ca.7% jährliches Wirtschaftswachstum. Cubas objektives Interesse ist es also, die systemimmanente Profitabhängigkeit ausländischer Unternehmen auszunutzen, um seine eigene sozialistische Zielsetzung nachhaltig umsetzen zu können. Auf diesem Weg geht es mit Bedacht und Vorsicht vor, ohne jedoch von seiner ideologischen Ausrichtung abzurücken. Teil 2 des Artikels erscheint im Laufe der kommenden Woche.
Dieser Artikel ist von Hanno. Hier findet ihr alle Artikel von ihm.
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