Cuba und die Währungsreform: gesellschaftliche Veränderungen zum Anfassen
Ein Ausflug in das Karl Marx Theater, um das Ballett „Schwanensee“ anzusehen? Na klar, einen Einblick in die cubanische Kultur, wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen!
Beim Kauf der Karten können wir Interessantes miterleben: Die Cubaner, die vor uns an der Reihe sind, bezahlen jeweils 20 Peso Cubano (CUP), was umgerechnet 0,60 € sind. Im Gegensatz dazu, erwartet die Frau hinter der Glasscheibe von uns jedoch 20 Peso convertible (CUC), umgerechnet ca. 16 €. Wir legen daraufhin unsere Studentenausweise vor, um zu zeigen, dass wir keine gewöhnlichen Touristen sind. Die Frau nickt verständnisvoll und korrigiert den Preis auf ebenfalls 20 CUP.
Wie kann das sein?
Nach dem Zusammenbruch des Sozialistischen Blocks, brachen für Cuba mehr als 85% der Handelsbeziehungen zusammen, es setzte die „Spezialperiode in Friedenszeiten“ ein. Eines der wichtigsten Ziele war es, ausländische Devisen ins Land zu bringen, um die dringend notwendigen Importe bezahlen zu können. 1993 wurde deshalb der Dollar und 1994 der CUC als Zahlungsmittel eingeführt. Der CUC galt als Währung, die ursprünglich nur für Touristen vorgesehen war. Im Jahre 2004 wurde der Dollar jedoch wieder abgeschafft, sodass der CUP und der CUC seitdem auf Cuba koexistieren. Der CUC, der direkt an den Wert des US-Dollars gekoppelt ist, wird vornehmlich für Importwaren und höherwertige Dienstleistungen eingesetzt und ist in Cuba frei konvertierbar. Das bedeutet, dass man ihn frei gegen andere Währungen tauschen kann, was mit dem CUP nicht möglich ist, denn der kann nur innerhalb Cubas gegen den CUC getauscht werden. Er sollte ermöglichen, dass die meist europäischen und canadischen Touristen, Cuba nicht als Billig-Reiseziel ausnutzen, sondern annähernd gleiche Preise, wie in ihren Heimatländern bezahlen. Dies galt als wichtige Einnahmequelle für den cubanischen Staat. Damit aber die Bevölkerung nicht in diesen Preisen ihre Grundnahrungsmittel bezahlen müssen, gibt es weiterhin den CUP. Der CUP (oder MN für Moneda Naciona) ist die ursprüngliche Währung Cubas, in der die staatlichen Löhne ausgezahlt und die wesentlichen einheimischen Grundnahrungsmittel, sowie einfache Dienstleistungen bezahlt werden. Außerdem stellt der Staat sogenannte Libretas für die Bevölkerung zur Verfügung, um die grundlegende Versorgung abzusichern. Libretas sind Zuteilungshefte, die jeder Cubaner erhält, um mit ihnen in bestimmten Geschäften, Güter des täglichen Bedarfs für einen Preis zu erwerben, der so gering ist, dass er nahezu symbolisch scheint. Diese vom Staat extrem subventionierten Güter ermöglichen der cubanischen Bevölkerung, trotz des geringen Lohns, eine ausreichende Grundversorgung. Für Dinge, wie hier beispielsweise ein Ballettbesuch, werden somit nur sehr niedrige Preise für die Cubaner verlangt. Da wir durch unser Studium an der CUJAE eine permanente Aufenthaltsgenehmigung besitzen, ist es für uns ebenfalls möglich, im Theater den cubanischen Preis zu bezahlen, sowie an den vom Staat subventionierten Preisen teilzuhaben. Denn alle ausländischen Studenten werden während ihrer Studienzeit als Cubaner angesehen und als solche behandelt, betreffe es einen Krankenhausaufenthalt oder das Leben auf dem Campus, alles ist kostenlos.
Wie sieht der Alltag mit zwei Währungen aus?
Heute sind die Trennlinien zwischen dem CUC- und CUP-Sektor vergleichsweise gelockert, denn Cubaner können inzwischen genauso legal mit CUC bezahlen, wie Touristen ihr Geld gegen CUP eintauschen können. Problematisch war es zu der Zeit, als die meisten Importgüter nur in den Devisenläden angeboten wurden und Cubaner sich ausschließlich illegal Zugang zu der konvertiblen Währung verschaffen konnten. Anfangs war es für mich eine sehr verwirrende Angelegenheit, beide Währungen besitzen zu dürfen und an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichem Geld zu bezahlen. Wegen der vielen verschiedenen Scheine und Münzen, reichte ich ständig das falsche Geld. Hätten die umstehenden Leute mich nicht darauf aufmerksam gemacht, hätte ich manchmal das vierundzwanzig fache vom eigentlichen Preis gezahlt. Der Wechselkurs liegt nämlich bei 1:24 (CUC zu CUP), möchte man mit CUP einen CUC kaufen, kostet einen das hingegen 25 CUP. Die parallellaufenden Währungen führten zu einer Verschleierung der tatsächlichen Produktionskosten in cubanischen Betrieben, weil in der Buchführung ein Wechselkurs von 1:1 angewandt wurde. Damit ist die Einschätzung der Größe und Kraft der cubanischen Wirtschaft beinahe unmöglich geworden. Auf Grundlage dieser Rechnung entsteht innerhalb der Betriebe der Eindruck, Importe wären günstiger als Exporte, was die immense Anzahl an Importgütern weiterhin steigert.*
Hier wird Geschichte geschrieben
Raúl Castro kündigte Ende Juli 2013 an, die beiden Währungen zusammenzuführen, da deren Dualität die 2011 beschlossenen Wirtschaftsreformen behindere. Es wird in allen Debatten darum immer wieder klar, dass sich das cubanische Volk nach 20 Jahren Währungschaos eine einheitliche Lösung wünscht. Der cubanische Staat versucht sich an der Annäherung der beiden Währungen, was letzten Endes an „Tag X“ zur Abschaffung des CUC führen soll. Tatsächlich konnten wir diese Entwicklung in der nahegelegenen Tankstelle beobachten. Dort werden die Preise nun nicht mehr nur in CUC, sondern auch in CUP angegeben, wodurch es fortan möglich ist, mit der ursprünglichen Währung, oder einem Misch aus beidem, zu bezahlen. Schon seit März 2014 ist es in einigen Devisenläden möglich gewesen, mit CUP zu bezahlen, was zu einer Steigerung der Einnahmen der betroffenen Läden führte. Klar muss aber sein, dass sich dadurch die Kaufkraft der Cubaner nicht real erhöht. Das heißt, sie haben nicht mehr Geld zur Verfügung, sondern sparen sich lediglich den Gang zur Wechselstube. An den ursprünglichen CUC-Preisen in den Devisenläden hat sich nichts geändert, außer dass sie nun auch als das 24-fache ausgezeichnet sind, was dem CUP-Wert entspricht. Die Kaufkraft der Cubaner kann nur durch eine allgemeine Produktivkraftsteigerung erreicht werden, die Ziel der 2011 eingeführten Wirtschaftsreformen ist. Marino Murillo, Vorsitzender der Kommission zur Umsetzung der Wirtschaftsreformen sagte dazu auf der Ministerratssitzung im Sommer 2014: „Die Währungsreform selbst wird nicht alle Probleme der Volkswirtschaft beseitigen, sondern vielmehr ein unverzichtbarer Bestandteil des Prozesses zur Umsetzung der restlichen Vorhaben sein, die auf die Erhöhung der Effizienz und der Arbeitsproduktivität zielen, neben der Perfektionierung der Mechanismen zur Verteilung des erzeugten Reichtums.“
Beeindruckt von den vielen Dingen, die ich hier bisher lernen konnte und dem großen Interesse der cubanischen Bevölkerung, politischen Konflikten gegenüber, stelle ich fest, dass ich jetzt gerade, in meiner Zeit auf Cuba, daran teilhaben kann, wie sich große gesellschaftliche Veränderungen vollziehen.
*Wer sich noch detaillierter mit den Ursachen und Folgen der zwei Währungen auseinandersetzen möchte, kann gerne HIER einen guten zusammenfassenden Artikel dazu lesen.
Dieser Artikel ist von Sophie, klicke hier um zu all ihren Artikeln zu gelangen.
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