Alte Festnetztelefone und Vulven-Gemälde an der Wand, Regenbogenfahnen und sogar das von der polytechnischen Uni CUJAE ausgestellte Architekturdiplom einer der Künstlerinnen: steht man im Tattoostudio Zenit, dann ist es so, als hätte sich ein Stückchen Havanna mit Berlin-Xhain fusioniert. Sieben Leute arbeiten hier, fünf davon stechen.
„Tätowierungen stigmatisiert“ in Kuba, haben wir von der Tagesschau in geholpertem Deutsch am Tag unseres Abflugs mit auf den Weg bekommen. Besonders tätowierte Frauen würden in Kuba ausgegrenzt. Die Realität sieht anders aus: nicht nur einer unserer Junior-Profs an der CUJAE (siehe Foto) hat keine freie Stelle mehr an beiden Armen – nichts, was man von deutschen Unis kennt. Schaut man sich im Bus um, dann wird klar, dass Tattoos nicht nur eine Jugendmode ist. Auch auf dem Schulterblättern älterer Damen klebt Folie über dem frisch-gestochenen Zweizeiler.
Von einer Stigmatisierung, die sich für Frauen auch noch verdoppelt, ist hier wenig festzustellen. Im Gegenteil klingt der Vorwurf gegenüber Kuba nach der alten antikommunistischen Leier der Mehrheitendiskriminierung: unter den Kommunisten haben, außer den sicher „reinhäutigen“ Parteibonzen, aus Prinzip alle zu leiden.
Nichtsdestotrotz ist die Geschichte des Tätowierens auf Kuba keine einfache. Und sie ist noch nicht vorbei. Offiziell lizensieren lassen dürfen sich Tattoostudios zwar, obwohl Debatten um eine richtige Legalisierung außerhalb einer gewissen rechtlichen Grauzone schon seit langem laufen. „Veränderungen brauchen hier oft sehr lang“, sagt Black, einer der Artists, der mit seinem Skatepunk-Look und dem eingehackten Anker auf der Schläfe auch nicht viel mehr auffällt, als jeder x-beliebige Habanero. Dementsprechend fehlen Steuergelder aus einem von Touristinnen und Touristen frequentierten Wirtschaftsbereich. Der wiederum ist von der Blockade betroffen. „Wir kaufen das Material aus den USA über Drittanbieter für das Dreifache des eigentlichen Preises ein und stechen für ein Drittel dessen, was man dort für ein Tattoo bezahlt, sagt Black, Kippe im Mundwinkel, direkt neben dem Rauchen-Verboten-Schild. Trotzdem lässt sich davon verhältnismäßig gut leben: Kund- und Belegschaft trinken Kaffee, im Mülleimer liegen die Bierdosen vom Vorabend. Die Touris, die sich stechen lassen, bezahlen oft mit Dollar oder Euro. Qualität und Hygienestandards sind dafür keine niedrigeren als man es aus Deutschland kennt. Besondere Kontakte, um das Studio zu finden, braucht man als Ausländer nicht. Infos zur Arbeit der Artists und die Adresse finden sich online, auch für die Behörden. Staatlicher Hass auf „Tintlinge“ kann anscheinend so groß nicht sein. Stattdessen gibt es regelmäßig öffentliche Conventions.
Fazit: mit der Tattoostigmatisierung auf Kuba verhält es sich so wie mit dem Rauchverbot im Studio Zenit. Gibt es nicht.
Dieser Artikel ist von Ken, hier geht es zu mehr Artikeln von ihm.