Ein Volk feiert sich und seine Revolution
1.Mai 2015, 5.30 Uhr: schlaftrunken und im Nieselregen verlassen wir das Haus. Der Ausgangssituation nach, könnte es ein ganz normaler deutscher Arbeitstag sein. Ist es aber nicht, weder in Deutschland noch in Havanna. Es ist der erste Mai, Tag der Arbeit, Kampftag der Arbeiterklasse und wir befinden uns in Havanna, Cuba.
Wir wollen einige Mitglieder der UJC (der kommunistischen Jugend Cubas) treffen, um mit ihnen und anderen Studierenden unserer Universität gemeinsam an der traditionellen Demonstration teilzunehmen. Hunderttausende Menschen verfolgen das selbe Ziel, weshalb wir zum ersten Mal, seit unserer Ankunft in Cuba in einen Stau geraten. Die Straßen sind verstopft mit Bussen, die die Bevölkerung auch von Randbezirken in die Innenstadt bringen. Der Stau errinnert uns an Deutschland, doch die Stimmung die uns erwartet, als wir am Paseo, unserem Sammelpunkt ankommen,ist eine ganz andere: Alle sind friedlich und freuen sich auf die nächsten Stunden, in denen sie gemeinsam die Revolution und ihre Errungenschaften feiern werden. In Deutschland bleibt der 1. Mai ein Kampftag, an dem für mehr Arbeiterrechte demonstriert werden muss.
Nach einer halben Stunde, in der sich die Menschen einreihen und in ihren Gruppen zusammenfinden, setzen wir uns in Bewegung. Plakate werden hochgehalten, Fahnen geschwenkt und Hände klatschen zur Musik. Trompeten, Trommeln und improvisierte Rythmusinstrumente geben den Takt vor. So dass sogar ein Löffel, der gekonnt auf eine Metallplatte geschlagen wird, Menschenmassen zum wogen bringt. Es ist einfach unglaublich mit welchem Enthusiasmus jung bis alt dabei sind, um sich und den Tag, der ihnen, nämlich den Arbeitern, gehört zu feiern. Wir laufen zwischen Studenten, Brigadisten aus Venezuela und Arbeitern, die in Betriebseinheiten eigene Blöcke bilden. Hinter uns erstreckt sich ein nicht endenwollendes Fahnen- und Gesichtermehr. Während des Marsches wird gelacht, gesungen und getanzt. In Sprechchören ertönen Parolen, die Solidarität mit den Proletariern aller Länder ausdrücken und den Sozialismus als Notwendigkeit für eine gerechte Welt proklamieren. Eine besondere Bedeutung gilt dieses Jahr Venezuela und der Rückkehr der 5 Helden aus US-amerikanischen Gefängnissen.
Beeindruckend ist die Lebensfreude und der Stolz, die die Demonstranten zum Ausdruck bringen. Die Atmosphäre ist mitreißend und spätestens, als wir in einer Gruppe Hüften schwingender Offiziere landen, gibt es kein Halten mehr. Auch der einsetzende Platzregen kann die Stimmung nicht trüben. Ganz im Gegenteil, einer unserer Lehrer, den wir durch Zufall treffen, erklärt: “ Sich im ersten Mairegen zu baden, bringt Glück!“
Nachdem wir den höchsten Punkt des Paseo erreicht haben, eröffnet sich uns der Blick auf das Ziel: den Plaza de la Revolución. Als wir auf dem Platz einziehen, werden wir feierlich empfangen. Links von uns stehen fahnenschwenkende Menschen, die lautstark das Volk huldigen. Rechts erblicken wir eine große Tribüne, auf der sowohl ranghohe Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft, als auch Menschen aus aller Welt Platz genommen haben. Hier hatte sich in den Morgenstunden Raúl Castro, der cubanische Präsident, mit einer Rede an das Volk gerichtet. Das Gefühl auf dem Platz stellt für alle den Höhepunkt der Veranstaltung da und ist ein schöner Abschluss dieses besonderen Vormittags.
Hier ein Beitrag aus dem cubanischen Fernsehen:
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