Das politische Jahr 2019 begann für die internationale Linke mit einem Schlag ins Gesicht: Die gewählte Regierung der bolivarischen Republik Venezuela und ihr Präsident Nicolás Maduro Moros, sind Opfer eines reaktionären Putschversuches geworden. Juan Guaidó, Führer der ultrarechten Opposition und Marionette der Vereinigten Staaten, erklärte sich Mitte Januar plötzlich selbst zum Präsidenten einer neuen Übergangsregierung. Nur wenige Minuten darauf wurde das Präsidentenabenteuer des Herrn Abgeordneten prompt von mehreren rechten und ultrarechten Regierungen, darunter die der USA und Brasiliens, offiziell anerkannt. Spätestens hier war klar, dass es sich bei der ganzen Aktion um nichts Anderes handelt, als die geplante Intervention des US-Imperialismus in ein freies Land, welches die Courage besitzt, einen eigenen, antiimperialistischen Weg einzuschlagen. Dunkle Wolken ziehen auf und während Präsident Trump und seine Amerikanischen Falken vom Krieg sprechen, spitzt sich die Lage in Venezuela weiter zu…
Der Schlag gegen die ALBA-Union, ist der Stich ins Herz der Revolution
Es ist noch gar nicht so lange her, dass in Venezuela und Lateinamerika eine neue Zeit anbrach. Der Kontinent hatte Ende der 1990er Jahre bereits 15 Jahre des neoliberalen Systems und seiner Mechanismen hinter sich: massiver Abbau des Sozialstaats, massive Veräußerung von staatlichen Unternehmen an Ausländische Firmen, Privatisierungswellen, Ungleichheit wie Ungerechtigkeit in den Besitz- und Eigentumsverhältnissen, Verarmung und eine katastrophale Umweltpolitik. Während die nationale und internationale Finanz- und Wirtschaftselite Milliarden verdiente, wurde die einfache Bevölkerung immer ärmer und immer unzufriedener. Der Neoliberalismus wurde von der herrschenden Elite als alternativloser Heilsbringer für die Krise der 70er Jahre angepriesen, endet jedoch im sozialen und ökologischen Desaster.
Dann kam Hugo Chávez Frías: Der Vordenker, Revolutionär und Begründer der neuen bolivarischen Bewegung in Lateinamerika wurde 1998 zum Präsidenten der Republik Venezuela gewählt. Mit seiner antineoliberalen und antiimperialistischen Politik holten er und sein Nachfolger Nicolás Maduro Moros Millionen Menschen aus der Armut, machten Bildung und Gesundheit für alle zugänglich, starteten ein Programm zum Bau von Sozialwohnungen und führten das Land auf einen sozialen und nachhaltigen Weg. Auch diplomatisch und außenpolitisch brach für den Kontinent eine neue Zeit an, etwas was man hier auf Kuba ganz besonders spüren kann. Hugo Chávez und Fidel Castro, die auch privat gute Freunde waren, beendeten die Isolation der Karibikinsel und starteten ein emanzipatorisch-soziales Projekt, welches offen für ganz Lateinamerika sein sollte und schließlich in der Allianz ALBA-TCP[1] gipfelte. Binnen eines Jahrzehntes war aus der Achse Caracas-Havanna ein ganzer alternativer Staatenblock geworden, bestehend aus Kuba, Venezuela, Ecuador, Bolivien, Nicaragua und diversen Karibikinseln. ein Gebiet welches mittlerweile 70 Mio. Einwohner umfasst. In all diesen Staaten machten sich progressive Bewegungen daran, das Joch des Neoliberalismus abzuschütteln und einen alternativen, einen nachhaltigen Weg einzuschlagen. Seien es die Sandinisten in Nicaragua, Raffael Correa und die Bürgerrevolution in Ecuador oder Evo Morales in Bolivien: Den Beispielen Venezuelas und Kubas folgend, entstand ein neues Amerika.
Diese Vorgänge blieben natürlich auch auf der nördlichen Halbkugel nicht unbemerkt. Von Anfang an waren die sozialen und emanzipatorischen Bewegungen ein Dorn im Auge der USA. Brachten doch die Nationalisierung von Unternehmen, soziale Gerechtigkeit und ein Ende der US-hörigen Diplomatie herbe Einbußen für Strategie und Wirtschaft der Staaten im so genannten „Hinterhof der USA“ mit sich. Daher begann mit der Wahl von Chávez auch die Aggression gegen Chávez und Venezuela, man könnte fast schon meinen als Strafe, für den Frevel, eine nicht-USA-freundliche Regierung gewählt zu haben. Ein Verhalten welches ich für eine Regierung, die sich selbst demokratisch nennt, für unwürdig halte. Es folgten Wirtschaftskrieg und Sanktionen, Putschversuche und Sabotageakte, diplomatische und politische Feindseligkeiten, bis hin zur offenen Androhung des Krieges, jüngst von Präsident Trump und seinem Kabinett ausgesprochen. All dies ist ein offener Angriff des US-Imperialismus gegen einen souveränen Staat, da kann auch kein Gefasel von „Menschenrechten“ oder „humanitärer Hilfe“ etwas ändern. Zudem ist es ein offener Angriff gegen das neue, soziale Amerika, gegen eine der Stützen von ALBA und somit gegen den gesamten antineoliberalen Block in Amerika und der Welt. Der Angriff gegen Venezuela ist ein Angriff gegen jede antineoliberale, antiimperialistische und antikapitalistische Bewegung und damit auch gegen die weltweite politische Linke. Dieser sollte trotz aller (berechtigter!) Kritik an Maduro und seinen zum Teil unglücklichen Entscheidungen auch als solcher wahrgenommen werden. Gemeinsam müssen wir an der Seite Venezuelas gegen den Krieg und für ein freies Amerika streiten.
La Nación Hermana
Während diese Vorgänge das Weltgeschehen aktiv bestimmen und es sogar bis in die deutsche Öffentlichkeit schaffen, befinden wir uns in Lateinamerika, genauer auf Kuba, einem der engsten Partner und Freunde Venezuelas. Hier scheinen Venezuela und der Putschversuch omnipräsent zu sein. Schon in Nicht-Krisenzeiten ist Venezuela, die „Schwesternation“, kaum aus den Straßen Havannas und den Köpfen der Menschen wegzudenken. Von großen Tafeln grüßen Hugo Chávez und Fidel Castro die vorbeifahrenden Autos, Wände sind mit Venezuela-Flaggen bemalt und im Bus stößt man auf kleine Venezuela-Wimpel, welche der Busfahrer an der Frontscheibe befestigt hat. Auch die Menschen tragen ihre Freundschaft zur „Schwesternation“ offen zur Schau: Man sieht in den Straßen bunte Trainingsanzüge, Mützen oder T-Shirts mit den Symbolen und Farben Venezuelas oder einer der Massenorganisationen des Landes. Viele Kubaner*innen waren bereits in Venezuela, sei es auf einer Mission oder im Urlaub, haben dort Kontakte geknüpft und eben genannte Kleidungsstücke mitgebracht, die natürlich voller Stolz getragen werden. Hier ist man auch ein wenig froh nicht alleine gegen den Imperialismus und Neoliberalismus ankämpfen zu müssen und stattdessen einen guten Freund an der Seite zu Wissen. Vor allem aber ist man glücklich einen zuverlässigen Handelspartner gefunden zu haben. Jener Handel hat sowohl in Kuba als auch in Venezuela für einen kräftigen Schub nach vorn gesorgt. Während kubanische Ärzt*innen, Ausbilder*innen und Lehrer*innen einen nicht unwichtigen Beitrag zu der Entwicklung des neuen Venezuelas und seiner Errungenschaften geleistet haben, profitiert Kuba selbst von venezolanischem Öl, der verbesserten Versorgungslage diesseits und jenseits des karibischen Meeres und sogar von dem unterseeischen Internetanschluss, welcher der Insel endlich zu schnellerem und brauchbarem Internet verhalf.
So verwundert es nicht, dass Kuba in uneingeschränkter Solidarität hinter dem gewählten Präsidenten Maduro und der bolivarischen Revolution steht. Das Thema ist in aller Munde und die öffentliche Meinung ist eindeutig Pro-Venezuela. Da wären natürlich unsere Professor*innen, welche den Konflikt eifrig mit uns und aus einer antiimperialistischen perspektive diskutieren. Da gibt es die Verkäufer*innen an den Cafeterien, bei denen man im ersten Moment denkt, ihnen sei internationale Politik recht egal, bis sie plötzlich den Angriff auf Venezuela als solchen denunzieren und ihre Meinung auch die umstehenden Leute wissen lassen (welche sich dann nicht scheuen mit einer ähnlichen Meinung ins Gespräch einzusteigen). Die Studierenden, die hier auch in Politik und politischer Ökonomie unterrichtet werden, haben natürlich auch ihre Gedanken dazu, meist Pro-Venezuela. Selbst hartnäckige Kritiker der Regierung, die von sich selbst behaupten sie lebten lieber im Kapitalismus, glauben nicht an das Gefasel von „Menschenrechten“, mit welcher die USA Krieg und Zerstörung zu rechtfertigen versuchen, sondern kritisieren die USA ebenso wie ihre Regierung.
Wer all diese Aspekte berücksichtigt, der wird sich nicht wundern, dass sich tausende Kubaner*innen, wenn nicht mittlerweile gar über 1 Mio. Menschen in die Unterschriftslisten zum Frieden in Venezuela eingetragen haben. Im Fernsehen, auf der Straße oder im Radio: Überall rufen die Leute und die Massenorganisationen dazu auf, sich an dieser Forderung nach Frieden mittels ihrer Unterschrift zu beteiligen. Die Listen liegen im Institut für Völkerfreundschaft oder bei der Buchmesse aus, fast immer umringt von Menschen, die Unterschreiben wollen. Während die venezolanische Opposition, die USA und ihre Verbündeten immer lauter mit den Säbeln rasseln, offen von Krieg und Gewalt sprechen, ja fordern, da sammeln sie sich: Die einfachen Leute Venezuelas, Kubas, Amerikas: Die Landbevölkerung, Arbeitende, Studierende, Lehrkräfte und ihre Volksregierungen. Sie sammeln sich um der Gefahr des Krieges, der Gewalt und der Plünderung einen unerschütterlichen Ruf nach Frieden entgegenzubrüllen. Wie schon der UN-Generalsekretär António Gutteres sagte: „Die Zeiten der Militärinvasionen in Lateinamerika sind vorbei!“
Ob wir uns in die Listen eingetragen haben? Selbstverständlich!