Wir sitzen im Unterricht, es ist heiß und stickig, es geht um die Politische Ökonomie des Kapitalismus. Unsere Lehrerin wird aus dem Klassenraum geholt, ihr Bruder sei am Telefon. Sie kommt kurze Zeit später zurück und berichtet, das cubanische Fernsehen hätte soeben verkündet, dass Alan Gross auf dem Weg in die USA sei. Alan Gross ist ein US-Amerikaner, der seit Dezember 2009 wegen Spionage in einem cubanischen Gefängnis sitzt. Schon im Oktober diesen Jahres wurde in einem Artikel in der New York Times der Austausch der Gefangenen vorgeschlagen – Alan Gross gegen die Cuban 5. Zwei von ihnen sind seit 2011 und seit Anfang 2014 frei und zurück in Cuba, es fehlen noch Gerardo, Ramón und Antonio, die mit Strafen bis zu zwei Mal lebenslänglich plus 15 Jahren in US-amerikanischen Gefängnissen festsitzen.
Wir versuchen uns noch eine halbe Stunde lang auf die Zirkulation des Kapitals zu konzentrieren als der Unterricht durch lautes Getöse vor dem Klassenraum abgebrochen wird. Wir stolpern auf den Flur unserer Fakultät und treffen auf das gesamte Kollegium, sie halten Plastikbecher in den Händen und es wird Rotwein ausgegeben. Es gibt Geschrei, auch wir sollen Becher erhalten – wir stoßen alle gemeinsam an. Wir stehen dicht gedrängt in einem kleinen Raum mit knapp dreißig Leuten vor einem Fernseher. Die Rede von Raúl wird ausgestrahlt, plötzlich ist es totenstill. Wir verstehen mangels Spanischkenntnisse nicht alles, aber für diesen Moment braucht man keine Sprachkenntnisse, weil alle die gleiche Sprache sprechen, die Sprache der Freude. Alle haben glühende Gesichter, unsere Geschichtslehrerin ruft „das ist ein besonderer Tag“ und alle stoßen erneut an. Der Rest unserer Gruppe kommt in das Fakultätsgebäude gestürzt, um mit uns diesen Moment zu erleben. Es ist atemberaubend, alle johlen, wir sind mitten drin.
Für Cuba ist dies ein besonderer Tag. Die drei cubanischen Nationalhelden, die seit 16 Jahren unrechtmäßig in den USA gefangen gehalten wurden haben heute wieder cubanischen Boden betreten dürfen. Dieses Ereignis ist Resultat eines einstündigen Telefonats zwischen Obama und Castro in welchem sie sich über die Beziehungen der USA und Cuba zueinander unterhalten haben. Möglich wurde dies natürlich nur auf Grund der immer stärker werden weltweiten Solidaritätsbewegung mit den 5 Helden. So wurde das Strafmaß der Cuban 5 schon einmal von der USA herab gesetzt um „den internationale Protest zu beruhigen.“ Der Protest schien nun zu groß zu sein und so musste die USA handeln. Die Stimmung ist seit Jahrzehnten gelinde gesagt angespannt, denn es geht um weit mehr als die unrechtmäßige Gefangenschaft von fünf cubanischen Männern. Es geht um den Kampf von David gegen Goliath, die Unterdrückung des sozialistischen Cubas durch die imperialistischen USA. Hier geht es zu einem ausführlichen Artikel des Krieges der USA gegen Cuba. Obama erwähnte in seiner Rede von dem US-amerikanischen Volk, die Simultan zur Rede Raúls vor dem cubanischen Volk im Fernsehen ausgestrahlt worden ist, es ginge um weit mehr als den Austausch der Gefangenen. Die USA wären bereit die Wirtschaftsblockade zu lockern, sofern Cuba sich bereit erklären würde mehr Demokratie und Freiheit einzuführen. Einfach ausgedrückt geht es weiterhin darum, dass die USA Cuba seine Politik vorschreiben möchte, weg von einer sozialistischen.
Raúl hingegen betonte in seiner Rede, dass der Austausch nicht grundlegend etwas an dem Verhältnis der Staaten zueinander ändern würde sondern lediglich eine Verbesserung der Verhältnisse darstellt. Es muss an dieser Stelle klar sein, dass die Freilassung der Cuban 5 kein Akt der Großzügigkeit und Güte der USA gegenüber Cuba sei sondern ein symbolischer Akt. In den vergangenen Wochen hat es mehrere Aufrufe in der US-Amerikanischen Presse gegeben, die Beziehungen zwischen USA und Cuba zu lockern. In einem Interview mit der jungen Welt erklärte Fernando, einem der Cuban 5 der seit Anfang diesen Jahres auf Cuba lebt und arbeitet, dass die Freilassung der restlichen drei immer nur ein symbolischer Akt sein könnte. „Die USA werden sich im Fall der »Fünf« nur dann bewegen, wenn der Preis dafür, sie weiter im Gefängnis einzusperren, höher als der dafür ist, sie freizulassen.“
Die Befreiung der Cuban 5 darf für uns also kein Grund sein, den Kampf gegen den Imperialismus aufzugeben. Die 5 waren immer ein Symbol für den cubanischen Sozialismus und für das Verhältnis zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Ein Symbol gegen die Unterdrückung die auch nach heute weiterhin bestehen wird. Dennoch ist heute ein historischer Tag, denn die Geschichte der Cuban 5 zeigt, dass internationale Solidarität und die Kraft des Volkes mächtiger ist als jede Unterdrückung!
Der Kampf geht weiter und wir haben heute eine Schlecht gewonnen, auch wenn der Sieg noch fern ist.
Wir hören an dieser Stelle auf zu berichten, die Cuban 5 sind auf dem Weg nach Havanna und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. In Gedanken bei euch werden wir gleich durch die Straßen laufen und rufen „VIVA LA REVOLUCION! VIVA CUBA!
Erfahre mehr hier über die Cuban 5!
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