Gerade noch ein paar lustige Videos auf YouTube gekuckt und plötzlich gehen alle Lichter aus, oft gefolgt von einem hörbaren Seufzen oder Fluchen aus der Nachbarschaft. Solche Momente sind während unseres ca. 7 monatigen Aufenthalts hier auf Kuba leider keine Seltenheit. Geht der Strom wieder an, ist lautes Jubeln zu höhren. Nie hätten wir geglaubt, eines Tages mal froh darüber zu sein, dass wir nach Hause kommen und es Strom gibt. Tatsächlich ist die dauerhafte Verfügbarkeit von elektrischem Strom keine Selbstverständlichkeit, wenn man die ganze Welt betrachtet.
Stromausfälle sind natürlich kein Weltuntergang und wir konnten uns schnell an diese gewöhnen. Die meisten Einrichtungen auf Kuba können gut ohne Strom klarkommen, auch wenn es manchmal echt nervig ist. Essenzielle Einrichtungen (wie z.B. Krankenhäuser) besitzen eine separate Energieversorgung und sind im Falle eines Ausfalls sicher.
Wie oft es zu Stromaufällen (hier werden sie Apagones genannt) kommt, kann von Zeit zu Zeit sehr unterschiedlich sein. Je nach dem ob und welche Kraftwerke gewartet werden. Mal kann es ein paar Wochen lang vermehrt sein, mal kann es einen Monat lang kaum zu bemerken sein. Die aller meisten Stromausfälle sind planmäßig nach festen Zeittabellen die vorher veröffentlicht werden. Da Havanna i.d.R. bevorzugt wird, erfahren wir nur selten einen Stromausfall für länger als 6 h.
Warum die ganzen Stromausfälle?
Kubas Stromversorgung hat mal bessere Tage gesehen. Das Land kann seinen Strombedarf nicht decken, zu Spitzenverbauchszeiten, kann manchmal gerade einmal ca die Hälfte des benötigten Stroms produziert werden1.
Premierminister Marrero benannte die Gründe für die Energiekrise2:
– Schlechter Zustand der Infrastruktur (Die Kraftwerke sind sehr alt und deswegen ineffizient und anfällig für Verschleiß. Neue Maschinen und Ersatzteile sind aufgrund der Wirtschaftsblockade so gut wie unmöglich zu importieren.)
– Treibstoffengpässe (Zu diesen kann es immer wieder kommen. Kuba kann leider nicht den gesamten benötigten Treibstoff selber herstellen, sonder muss große Teile importieren. Diese Lieferungen können durch verschiedenste Faktoren behindert werden; beispielsweise durch den Hurrikan letzten Herbst (2024), wodurch kein Schiff in Havanna anlaufen konnte.)
– Massiv gestiegener Bedarf in den letzten Jahren (Erst in den letzten paar Jahren sind elektronische Geräte wie Smartphones auf Kuba weit verbreitet geworden. Die alten Kraftwerke aus dem letzten Jahrhundert können dem neuen Bedarf unmöglich standhalten.)
Wie ist die Lage?
Die Lage ist Ernst. Allein während unseres Aufenthalts – welcher im September 2024 begann – brach das Stromtnetz 2 mal vollständig zusammen; und die Bevölkerung ist darüber sichtlich verägert.
Die Stromausfälle haben weitreichende Probleme. Viele Dienstleistungen stehen nicht immer zur Verfügung, die Konservierung mancher Lebensmittel wird erschwert, manche elektronische Geräte erleiden Schäden durch das ständige An und Aus (beispielsweise Kühlschränke).
Eine interessante Beobachtung, die wir machen, ist, dass obwohl Strom hier eher Mangelware ist, gehen viele Kubaner nicht entsprechend mit diesem um. Vollaufgedrehte Musikboxen, großer Social-Media-Konsum, dauerhaft laufende Klimaanlagen (auf sehr niedriger Temperatur) und Festbeleuchtung sind keine Seltenheit in den Straßen Havannas. Die Gründe dafür sind kompliziert. Wirklich hilfreiche Antworten haben wir leider noch nicht erhalten.
Wir vermuten es ist eine Mischung aus kulturellen Faktoren und einer gewissen Trotzhaltung in der Bevölkerung: Seit 2020 ist das Land in einer schweren Wirtschaftskrise, der Lebensstandard sank stark und viele Einwohner sind darüber sehr verärgert; dementsprechend ist es kein Wunder, dass es viele Leute gibt, die keine Lust mehr haben auf das ständige Gespare. Aber natürlich gilt dies nicht für alle. Vor allem in den Zeiten, in denen die Stromausfälle häufiger und länger sind, achten die Kubaner mehr darauf, etwas sparsamer umzugehen. So jedenfalls unsere Eindrücke.
Der große Stromausfall, als am 18. Oktober 2024 das Stromnetz Kubas für mehrere Tage ganz kollabierte, war für uns eine sehr interessante Erfahrung. Auf Stromausfälle generell waren wir bereits vorbereitet, weshalb die Konservierung von Lebensmitteln für uns kein Probleme darstellte. Die Versorgung wurde im laufe der Tage immer eingeschränkter, was wahrscheinlich auch daran lag, das viele Leute schnell sich genug Vorräte beschaffen wollten, war aber stehts gewährleistet.
Unser größtes Problem war eher die Langeweile. Keine Uni, keine Kurse, nachts kein Licht zu lesen (wenn man keine Taschenlampe hatte) und die Kommunikation mit unseren Freunden in Havanna war entsprechend schwer, aber wir konnten gut improvisieren (wie gut, dass wir gerade noch so zu der Generation gehören, welche ohne Handy aufgewachsen ist 😉 ).
Das soziale Leben war keineswegs eingefroren. Überall sah man Leute auf den Straßen, die sich irgendwie die Zeit mit ihren Nachbarn vertrieben (viel Anderes gab es ja nicht zu tun). Nachts fanden wir es am schönsten. Eine dunkle aber quicklebendige Stadt. Viele saßen draußen und unterhielten sich, spielten Karten oder Domino (was auf Kuba sehr beliebt ist). Es wurde viel getrunken und gelacht, währenddessen konnte man den Sternenhimmel über einer stockfinsteren Metropole genießen.
Natürlich ist so ein Stromausfall kein Grund zu feiern und es gab viele Menschen, die die Zeit nicht so gut überstanden haben. Wir finden es dennoch spannend, diese Erfahrung gemacht zu haben.
Was sind die Aussichten?
Ein Hoffnungsschimmer stellt das große Solarprojekt der Regierung dar, welches Kuba hoffentlich hinaus aus der Energiekrise bringt. Bis Ende 2026 sollen insgesamt 92 Solarparks ans Netz gehen welche zusammen eine Leistung von 2012 MW liefern, in Kombination mit mehreren Batteriezentren, um den erzeugten Strom zwischenzuspeichern3. Die 92 Solarparks erzeugen zusammen so viel Strom wie 2 thermische Kraftwerke, wovon die Insel gerade eine Hand voll besitzt. Der Erste dieser Parks ist bereits im Februar 2025 in Betrieb gegangen4.
Der Ausbau der Solarenergie ist ein riesen Fortschritt für Kuba. Einerseits zur Bekämpfung der Energiekrise und andererseits führt dies zu geringerer Abhängigkeit vom Ausland.
Quellen:
1: http://www.cubadebate.cu/noticias/2024/10/17/une-preve-afectaciones-durante-horario-diurno-y-afectacion-de-1-678-mw-en-pico-nocturno-este-jueves/ , zuletzt besucht am 22.02.2025
2: https://cubaheute.de/2024/10/18/kuba-energiekrise-2024-sondersendung/ , zuletzt besucht am 22.02.2025
3: https://www.granma.cu/cuba/2025-01-21/de-los-parques-solares-fotovoltaicos-en-montaje-un-boton-de-muestra-21-01-2025-01-01-49 , zuletzt besucht am 22.02.2025
4: http://www.cubadebate.cu/noticias/2025/02/21/sincroniza-escuela-de-enfermeria-primer-parque-solar-fotovoltaico-de-21-8-mw/ , zuletzt besucht am 22.02.2025