Religion auf Kuba (Teil 1 von 2)

Wer sich längere Zeit auf den Straßen Havannas aufhält, wird nicht an den unterschiedlichsten religiösen Ausdrucksformen vorbeikommen. Menschen verkleiden sich mit bunten Kostümen und tanzen zum Klang von traditionellen Instrumenten. Unzählige Leute tragen Halsketten oder Armbänder aus bunten Perlen, um sich von ihrem Heiligen schützen zu lassen. Am Straßenrand werden Figuren von katholischen Heiligen neben Schmuck und Kleidung aus afrikanischen Religionen verkauft. Und nicht zu vergessen die etlichen historischen Kirchen, die das Stadtbild prägen.

Daher werden die nächsten Artikel den Religionen auf Kuba näher auf den Grund gehen. Dieser Artikel verschafft einen Überblick über die Religionen des Landes, während sich der nächste mit der Beziehung zwischen kubanischer Religion und Politik beschäftigt.

Die Religionen Kubas

Die meisten Religionen des Landes haben ihren Ursprung zum einen im katholischen Glauben und zum anderen in den westafrikanischen Religionen. Die beiden beeinflussen sich gegenseitig und die meisten Gläubigen folgen mehreren Glaubensrichtungen auf einmal. So ist es auf Kuba verbreitet, gleichzeitig den katholischen Gottesdienst zu besuchen und zuhause afrokubanische Rituale auszuüben; ebenso üben ein und dieselben Personen mehrere afrokubanische Religionen zugleich aus. Diese Vermischung von Religionen wird auch Synkretismus genannt. Auch wenn im Folgenden die verschiedenen religiösen Strömungen beschrieben werden, lassen sie sich in der Praxis nicht trennscharf unterscheiden.

Der katholische Glaube nimmt eine zentrale und wachsende Rolle auf Kuba ein – etwa 60% der Bevölkerung sehen sich heute als katholisch, während es 2001 55% und 1990 nur 41% waren.[1] Der Glaube ist im ersten Jahrhundert n. Chr. in Palästina entstanden, von wo er sich nach Westasien und Europa verbreitet hat. Ab 1492 wurde er durch den europäischen Kolonialismus nach Kuba sowie ganz Lateinamerika gebracht.
Katholiken glauben an einen einzigen Gott, der allmächtig, unendlich gut und Schöpfer des gesamten Universums ist. Zugleich ist er ein einziger Gott und drei Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die wichtigste Figur ist Jesus von Nazareth, der gleichzeitig als Sohn Gottes und Gott angesehen wird. Laut Katholiken ist er nach seiner Kreuzigung durch die römische Regierung wieder von den Toten auferstanden. Darin sehen die Gläubigen ein Zeichen, dass eines Tages alle Menschen wie er von den Toten auferstehen werden und der Himmel auf Erden kommt: Eine Welt ohne Ungerechtigkeit, Krieg und Leid. Katholiken verehren außerdem die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, sowie die übrigen Heiligen und glauben an Engel und Dämonen, die die Ereignisse auf der Erde beeinflussen und übernatürliche Werke vollbringen können. Die Religion folgt einer Hierarchie, an deren oberster Stelle der Papst steht.

Die nächste wichtige Religion ist Yoruba. Sie wurde von den afrikanischen Sklaven nach Kuba gebracht und ist heute neben der Karibik v.a. in Nigeria, Benin und Togo verbreitet. Auf Kuba musste sich Yoruba mit dem Katholizismus vermischen, um zu überleben. Daraus entstand im 19. Jahrhundert die Santería (übersetzt „Weg der Heiligen“), die oftmals die kubanische Nationalreligion genannt wird. Der Großteil der Kubaner folgt zu einem gewissen Grad Praktiken der Santería, beispielsweise kann man auf den Straßen Havannas etliche Menschen mit den anfangs erwähnten Ketten oder Armbändern sehen, die zum spirituellen Schutz dienen sollen.
Die Santería kennt einen höchsten Gott namens Olofi, der allmächtig ist, die Welt erschaffen hat und ebenso gut wie böse sein kann. Er hält sich aus dem Weltgeschehen heraus und ist den Menschen unzugänglich, weswegen die Gläubigen ihn nicht anbeten. Stattdessen verehren sie eine Hülle und Fülle von Santos („Heiligen“), die von Olofi erschaffen wurden, um die Angelegenheiten auf der Erde zu regeln. Die Santos werden auch Orishas genannt. Jeder Mensch wird von seinem eigenen Santo beschützt; welcher zu einem gehört, kann mit Ritualen herausgefunden werden. Um die Santos zu verehren, präsentieren ihnen die Gläubigen Früchte oder Rum als Opfergaben oder tanzen und spielen Musik. Um sie auch unter dem spanischen Kolonialismus anbeten zu können, wurden sie jeweils mit katholischen Heiligen gleichgesetzt: Beispielsweise wird Oshún, Königin der Flüsse, der Seen und des Goldes mit der Jungfrau Maria identifiziert. Diese Übereinstimmung von Santo und Heiligem wird teilweise von der katholischen Kirche anerkannt; so nennen katholische Priester bei der Feier eines Heiligen oftmals auch den Namen des dazugehörigen Santos, falls die Zuhörer mit letzterem vertrauter sind. Laut der Santería können Menschen unter bestimmten Umständen wiedergeboren werden, allerdings nur innerhalb ihrer eigenen Familie. Anders als der Katholizismus ist die Santería keine organisierte Religion mit Anführern oder einer obersten Autorität, die entscheidet, was als wahr gilt. Der Glaube äußert sich spontan und ist an keine Dogmen und Institutionen gebunden.

Palo ist eine weitere Religion afrikanischen Ursprungs und ist vor allem im Osten Kubas verbreitet. Der Glaube ist etwa zur gleichen Zeit wie die Santería aus der Vermischung der Kongo-Religion mit dem Katholizismus entstanden. Auch laut ihm gibt es einen höchsten Schöpfergott namens Nsambi oder Sambia, der unzugänglich ist und nicht angebetet wird; daher wird er oft mit Olofi aus der Santería verglichen. Die Gläubigen verehren an seiner Stelle die Geister der Toten. Oft wird Palo als „gefährlicher“ und „wilder“ als die Santería bezeichnet, da die Palo-Geister furchterregender als die Santos seien.

Auf Kuba sind außerdem viele Bruderschaften verbreitet, die oft religiösen Charakter haben. Dazu gehört etwa Abakuá, ein Geheimbund aus Männern, der an einen Schöpfergott namens Abasí glaubt und von der afrikanischen Religion Ekpe sowie dem Katholizismus inspiriert ist. Auch die Freimaurer haben in der Geschichte eine große Rolle gespielt, so waren große Figuren im kubanischen Unabhängigkeitskampf Mitglieder, darunter Antonia Maceo, Carlos Manuel de Céspedes und der kubanische Nationalheld José Martí; selbst die kubanische Flagge beinhaltet Symbolik der Freimaurer.

Weitere Religionen auf Kuba beinhalten den Protestantismus, der vor allem im 20. Jahrhundert durch US-amerikanischen Einfluss gewachsen ist. Auch heute erlebt er einen großen Aufschwung. Ebenso gibt es kleinere jüdische, muslimische und buddhistische Gemeinschaften, nebst vielen anderen.

[1] Quelle: „Visita del Papa Francisco a Cuba: cómo atravesó la Iglesia católica los años más radicales de la revolución“, BBC Mundo, 19.09.2015 (bbc.com/mundo/noticias/2015/09/150916_como_sobrevivio_iglesia_catolica_cuba_bm)

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