Sobald ich aus der Tür unseres Hostels laufe, erschlägt mich die Hitze. Von jetzt auf gleich fange ich an gnadenlos zu schwitzen. Gegenüber unseres Hostels gibt es einen kleinen Kiosk, cubanische Cola ist genau das, was ich jetzt brauche.
Heute ist unser letzter und freier Tag in Havana vor unserem Abflug nach Hause und ich habe beschlossen, in die Innenstadt zu fahren und ein paar Eindrücke zu sammeln. Aber erstmal zum Kiosk. Ich laufe über die Straße und spüre die Hitze von unten durch den Asphalt. Mit einer eisgekühlten Cola steure ich die Bushaltestelle an, eine Katze läuft mir über den Weg. Davon gibt es hier viele freilaufend und sie sind super niedlich. Ich laufe auf die große Straße, die Avenida 23, die in die Innenstadt führt, auf der auch der Bus fährt. Sie ist nicht sonderlich stark befahren, dafür sind viele alte, bunte und wunderschöne Autos zu sehen. Sie erinnern an US-amerikanische Spionagefilme aus den 50ern, sie stammen noch aus Kolonialzeiten und wurden seitdem restauriert. Ich komme an einem Gerüst vorbei, das an Che und Fidel gedenken soll, darauf sind Bilder von ihnen abgebildet und ein Schriftzug mit den Worten „hasta la victoria siempre“. Es ist ein Zitat von Che aus einem Brief an Fidel, den er 1965 verfasste, bevor er in den Kongo und Bolivien ging, um dort die Revolution voranzutreiben. Es bedeutet so viel wie „immer bis zum Sieg“. Dieser Schriftzug ist grundsätzlich sehr präsent im Straßenbild und bildet auch das Bewusstsein der Cubaner*Innen gut ab. Für sie sind Che und besonders Fidel allgegenwärtig und bedeuten ihnen viel. Ich war überrascht, wie oft der Name Fidel in persönlichen Gesprächen mit den Cubaner*Innen hier fiel, sie verweisen oft auf ihn als Helden und bedauern, dass es ihn heute nicht mehr gibt. Erinnerungskultur gibts also viel, Werbung ist in Havana hingegen keine zu sehen.
Angekommen warten an der Bushaltestelle schon eine Handvoll Menschen im Schatten. Ein Kind isst ein Eis und ich bin ein wenig neidisch. Nach ein paar Minuten kommt der Bus. Es ist ein gelber Bus, auf dem „Schoolbus“ steht, den man aus US-amerikanischen Filmen kennt, der hier als öffentlicher Nahverkehr verwendet wird. Für 20 Pesos (das ist die cubanische Währung), was umgerechnet ein paar Cent sind, kaufe ich ein Ticket. Ich setze mich hin und bedauere, im Vorfeld der Brigade nicht auch einen elektronischen Handventilator mit Wasserfunktion gekauft zu haben, wie einige meiner Mitbrigadist*Innen. Mir läuft der Schweiß in mein weißes Leinenhemd. An der Stelle, wo in deutschen Bussen angezeigt wird, welche Station als nächstes kommt, steht in diesem Bus in großer, grellgrüner Schrift „HAVANA“. Davon schieße ich ein Foto. Wir kommen an Restaurants, Grünflächen und Trödelmärkten vorbei und natürlich auch an Plakaten von Fidel. So präsent wie Fidel in den Köpfen der Cubaner*Innen ist, so präsent ist er auch in den Straßen Havanas. An der Küste angekommen steige ich aus, Havana liegt direkt am blauen, weiten Meer. Kaum setze ich ein Fuß auf den heißen Boden, höre ich schon das Lied „Chan Chan“ von Buena Vista Social Club, das später mein zukünftiger Mitbewohner in Leipzig in meiner zukünftigen WG-Küche laut anmachen und dazu tanzen sollte, als ich ihm von meiner Cubabrigade erzähle. „Chan Chan“ ist sehr eingängig und wird in Havana oft auf der Gitarre gespielt, egal ob am Meer, in der Altstadt oder im Restaurant. Ich laufe an der Küste entlang. Eine Gruppe von bunt und knapp gekleideten, mit Glitzer geschminkten Personen fällt mir besonders auf. Sie hören Rapmusik, unterhalten sich und lachen laut. Ich scanne mir ihre Outfits, um sie mir zu merken und für später als Style-Inspirationen zu sichern.
Nachdem ich mich eine Weile auf einer Mauer am Meer hingesetzt habe, laufe ich weiter in die Altstadt. Hier ist es ziemlich laut und voll und vor allem sehr bunt. Ich fühle mich wohl. Überall sind Stände mit Essen, Kleidung oder auch Souvenirs zu sehen und auch Restaurants gibt es viele. Ich laufe durch die Straßen und mir fallen zwei Pride-Flaggen auf, die aus dem Fenster eines großen, blauen Gebäudes hängen. Seit 2018 ist die Ehe auf Cuba nicht mehr auf jene zwischen Mann und Frau beschränkt und generell ist Queerness auf Cuba sichtbar vorhanden. Stände zur Aufklärung über Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit auf Märkten und auch Aufklärungskampagnen in Schulen sind hier Gang und Gebe. Nach ein paar Minuten komme ich an einem Jugendclub vorbei, den wir vor zwei Tagen als Brigade besuchten. Hier haben Jugendliche die Möglichkeit, ihre Hobbys auszuleben und auch an Workshops teilzunehmen. Ich erinnere mich an eine aushängende Liste der Workshops, wo Sportkurse, aber zum Beispiel auch Kurse zum Workshops Videoschnitt angeboten wurden. Ich laufe weiter und gehe in den nächsten Buchladen, um noch ein paar Souvenirs für Familie und Freund*Innen einzukaufen. Es gibt hier auch englische Bücher und sie sind super günstig, ich kaufe eine Kurzbiografie Fidels und ein Buch zur Geschichte Cubas. Außerdem ein Notizbuch mit einem Ledereinband mit einem Abbild von Che drauf, das darf natürlich nicht fehlen, für meine beste Freundin.
Bevor ich mich wieder auf den Weg zurück zum Hostel mache, mache ich noch einen Abstecher auf den Markt. Es ist schon spät und ich sehne mich nach einer Klimaanlage, doch der Markt ist ein Muss. Hier kann man günstig Obst und Gemüse kaufen, doch anlachen tun mich die Erdnussriegel. Diese sind typisch für Cuba und sind quasi Erdnussbutter in Riegelform und unglaublich lecker. Davon nehme ich einen mit, genauso wie einen Guavebar. Guave ist eine Frucht und ebenso typisch für Cuba, hier wird daraus alles Mögliche gemacht, Nachtischbrei, aber auch Riegel. Vorerst gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile bin ich Fan von Guave.
Nun muss ich aber los. Ich suche auf Google Maps die nächste Bushaltestelle und mache mich auf den Weg. Sie ist auf dem „Plaza Vieja“ (alter Platz), bei dem viele Busse abfahren und ich finde keinen Überblick, also bitte ich eine Cubanerin um Hilfe. Aufgeschlossen und freundlich läuft sie mit mir zur richtigen Haltestelle und ich bedanke mich. Nach ein paar Minuten steige ich in den Bus kaufe mir ein Ticket und setze mich. Havana ist nach Leipzig glaube ich meine Lieblingsstadt.
Carli, Leipzig
Das Proyecto Tamara Bunke ist aktuell pausiert. Hintergründe hierzu findet ihr hier. Der Blog wird deshalb aktuell mit Berichten aus den Kuba-Brigaden welche die SDAJ im Sommer 2023 durchgeführt hat sowie weiteren Artikeln bespielt. Das geplante Datum für eine Weiterführung des Proyectos ist der September 2024. Falls ihr Interesse daran habt, zu diesem oder einem späteren Datum am Proyecto teilzunehmen, könnt ihr uns gerne über dieses Formular kontaktieren.