Zum „Freedom Day“ in Deutschland, als am 20. März weite Teile der Corona-Restriktionen von der Bundesregierung aufgehoben wurden, knallten Sektkorken. Naja, für einige wenige. Wer durch die Abwälzung der Pandemiekosten und der Lasten der Wirtschaftskrise in die Armut oder die psychische Zerrüttung getrieben wurde, der oder die hatte nichts zu feiern. Wer vorerkrankt ist oder altersbedingt mehr als nur Panik schiebt, wenn man jetzt komplett auf Durchseuchung schaltet, oder wer unter Long-Covid leidet, ebensowenig.
Im kapitalistischen Deutschland, wo alles zwischen Lockdown, Liquidierung bürgerlich-demokratischer Rechte und „Einmal Covid für jeden“ in Schlangenlinien durchexerziert wurde, gab und gibt es nur eine Konstante: das Pandemiemanagement dient privaten Profitinteressen. Die Gewinne von Großaktionären von Impfstoffherstellern, das Umverteilen von Steuergeldern in Milliardenhöhe an die Unternehmer der Lufthansa – das ist die Freiheit, die sie meinen. Das ist, weswegen sich der Westen frei nennt.
Am 31. Mai entfiel auch in Kuba die allgemeine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes (in Kuba Nasobuco genannt). Nicht, weil die Tourismusindustrie das so will. Auch nicht, weil man in einem Land, das wieder und wieder mit hochansteckenden Viruserkrankungen wie dem Dengue-Fieber zu kämpfen hat, plötzlich die Gefährlichkeit der Pandemie leugnet.
Die sozialistische Insel hat schwere Jahre hinter sich und sicherlich auch noch vor sich: mit einem harten Lockdown und strengen Einreisebestimmungen wurde die Verbreitung des Coronavirus über weite Strecken eingedämmt, während in den USA Hunderttausende, vorrangig Arme, starben, unterlassener Hilfeleistung staatlicherseits sei Dank.
Ökonomisch schmerzhafte Einbußen nahm man auf Kuba in Kauf, um die Gesundheit der Kubanerinnen und Kubaner zu schützen. Impfstoffe wurden entwickelt, Ärztebrigaden in alle Welt geschickt, darunter in kapitalistische Industrienationen wie Italien, die der Pandemie monatelang nicht Herr wurden. Währenddessen prügelten sich die EU-Mitgliedsstaaten um Container mit OP-Masken.
„Internationale Solidarität und Zusammenarbeit sind Prinzipien, die unser Land niemals aufgeben wird“, sagte der kubanische Gesundheitsminister Dr. José Angel Portal Miranda auf einer Pressekonferenz einen Tag vor Aufhebung der Maskenpflicht. Diese ist eine Entscheidung nicht nach politischer Willkür oder Regeln des freien Marktes, sondern nach Plan und humanistischer Abwägung. Im Mai erhielten die Älteren und am meisten Gefährdeten bereits ihre vierte, teils fünfte Impfung. 88 Prozent der Bevölkerung Kubas sind vollständig geimpft. Wie das Onlinenachrichtenportal „Cubadebate“ schreibt, liegt das Land mit über 300 verabreichten Impfdosen pro 100 Menschen weltweit an der Spitze. Nur so traf Kuba die Omikronwelle vergleichsweise weniger heftig. Der globale Durchschnittswert liegt zehn Mal höher, so der Gesundheitsminister dazu.
Am 31. Mai liegt die 7-Tage-Inzidenz in Kuba bei gerade einmal 2,4. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik, wo man frei ist, wenn man es sich leisten kann, gibt es zur gleichen Zeit mit 201,7 fast hundert Mal so viele Neuinfektionen auf 100.000 Personen.
Als wir an jenem Dienstag, dem 31. Mai, über das Gelände der CUJAE gehen, sehen wir das erste Mal viele der Kommilitoninnen und Kommilitonen, die in den Wohnheimen neben unserem wohnen, ohne Nasobuco. Als wir im Kurs sitzen und auch unser Dozent für Politische Ökonomie seine Maske abnimmt, knallen keine Korken. „Die Zeiten waren hart“, sagt er. „Aber in Kuba geht immer die Sonne auf.“ Erleichterung, klar, ein bisschen zumindest, aber kein Überschwang. Denn Pandemie und Wirtschaftskrise halten an. Für Kuba werden die Auswirkungen weiterhin heftig sein. Davon, den Menschen und seine Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen, wird man nicht abweichen. Das ist die Freiheit, die der Sozialismus bietet, eine Freiheit, die der Westen, der Kapitalismus, nicht im Sortiment hat.
Dieser Artikel ist von Ken, hier geht es zu mehr Artikeln von ihm.