Solidarität muss praktisch werden! – Kochen vs. bloqueo

Dampfender Reis, Bohnen, Fleisch, ein Stück Süßkartoffel. Während meiner etlichen bisher getätigten Kubareisen habe ich festgestellt, dass beinahe jeder Teller auf Kuba so serviert wird. Natürlich gibt es zahlreiche Variationen, beginnend beim Reis, welcher als „gelber Reis“, „weißer Reis“ oder „Congris“, Reis mit Bohnen, zubereitet wird. Das Fleisch wird entweder als Schweine-, Hähnchenfilet oder Hähnchenkeule serviert.

Auf die Frage, warum es immer Fleisch sein muss und warum es neben der allgegenwärtigen kubanischen Pizza kaum vegetarische Alternativen gibt, haben mir Kubaner_innen aller Altersklassen, unterschiedlichster Bildungsabschlüsse und verschiedenster Subkulturen immer wieder ein und dieselbe Antwort gegeben:
„Der Kubaner ist nicht zufrieden, wenn er nicht mindestens einmal am Tag Fleisch isst.“
Dann ist ja alles gut, wenn „der Kubaner“ mindestens einmal am Tag Fleisch isst und zufrieden ist!

Allerdings ist diese Form der Ernährung nicht ganz unproblematisch. Zunächst einmal werden all diese Lebensmittel hauptsächlich importiert und nicht auf und durch Kuba selbst produziert. 2017 gab Kuba zum Beispiel 6,21 Mrd. US Dollar für den Import von Fleisch aus. Die Abhängigkeit von Importen ist im Fall Kubas aufgrund der völkerrechtswidrigen Blockade durch die USA, welche von den Vereinten Nationen nicht gebilligt, durch die Vereinigten Staaten von Amerika aber dennoch aufrechterhalten wird und mit der Aktivierung der 3. Sektion des Helms-Burton Acts sogar noch verschärft wurde, besonders kritisch zu sehen.
Des Weiteren könnten die für diese Importe aufgewendeten Devisen natürlich anderweitig eingesetzt werden.

Über diese und weitere Aspekte im Zusammenhang mit der gängigen Ernährung habe ich immer wieder mit Genoss_innen und Freund_innen gesprochen, die mir daraufhin rieten, meine Überlegungen mit weiteren Kubaner_innen zu teilen. Für mich war es dabei immer besonders wichtig, klarzustellen, dass ich keinem einzigen auf Kuba lebenden Menschen vorschreiben will, wie er sich zu ernähren hat. Ein solcher Eingriff in den Alltag der Menschen hier steht einem privilegierten Ausländer meiner Meinung nach nicht zu. Demnach kann sich mein Engagement in diesem Bereich nur auf das Teilen von Gedanken und Informationen konzentrieren.

Da wir als Teilnehmer des Proyectos keine große Aufklärungskampagne durchführen können, uns des Themas aber dennoch annehmen wollten, haben wir gemäß des Mottos „Solidarität muss praktisch werden!“ eine Veranstaltung in unseren frisch renovierten Räumen des Edificio 700 auf dem Campus der CUJAE organisiert.

Unsere Gäste bei dieser ersten Veranstaltung waren zunächst einmal Funktionär_innen der UJC an unserer Uni. Neben der bereits erwähnten Problematik des Devisenaufwands für den Import von Lebensmitteln sprachen wir auch über ökologische Aspekte der Fleischproduktion und des Transports, sowie über den mit dem Transport zusammenhängenden Verbrauch endlicher Rohstoffe. Aufgrund der angespannten Situation in Venezuela, Kubas Hauptlieferanten von Erdöl, ist das Einsparen von Benzin und Öl für Kuba ohnehin von großer Wichtigkeit.

Es entstand ein reger Austausch zwischen uns und unseren kubanischen Gästen. Beeindruckt schienen diese auch von unserer Rechnung, dass wir durch den von uns hinter dem Gebäude angelegten Kompost bei durchschnittlich 10 kg kompostierbaren Küchenabfällen pro Woche im Jahr rechnerisch 520 kg, also mehr als eine halbe Tonne, Müll einsparen, der nicht mehr von der Müllabfuhr transportiert werden muss. Unsere Vorstöße, kleinere Gemüsebeete anzulegen, sollen, wenn auch im geringem Umfang, ebenfalls der Entlastung des kubanischen Transportwesens dienen. An dieser Stelle entstanden erste Ideen für eine zukünftige Zusammenarbeit. Janett, bis vor kurzem noch Ideologiebeauftragte der UJC an der CUJAE und nun anderweitig an der Uni beschäftigt, schlug vor, dass wir gemeinsam ein größeres, die Gesamtheit der Studentenwohnheime auf dem Campus umfassendes, Projekt zur Kompostierung von Abfällen und zum Anbau von Obst und Gemüse in Angriff nehmen könnten. Weitere Punkte, über die wir gesprochen haben, waren gesundheitliche und ethische Aspekte des Konsums von Fleisch und die relativ hohen Kosten im Verhältnis zu vegetarischen oder veganen Alternativen auf Kuba.

Auch ohne eine radikale 180 Grad Wende könnten die über 11 Mio. Kubaner_innen bereits Enormes erreichen, wenn sie zum Beispiel einmal in der Woche, oder sogar nur einmal im Monat, bewusst auf Fleisch verzichten würden.
Die gesamte Zeit über erinnerten wir immer wieder daran, dass es nicht unser Anliegen ist, der kubanischen Bevölkerung eine aus unserer Sicht bessere Form der Ernährung überzustülpen, sondern eigene Erfahrungen und Erkenntnisse zu teilen und die Debatte zu bereichern. Auch geht es uns nicht darum, radikale Veränderungen von heute auf morgen zu propagieren, was sicher glaubwürdig ist, da wir in unserer Gruppe nur eine einzige echte Vegetarierin haben, uns aber alle bewusst ernähren und den Fleischkonsum möglichst niedrig halten wollen. Im Edificio kochen wir zum Beispiel vegan, eine Ausnahme stellen Honig und, zwischendurch, Eier dar. Wir haben dabei festgestellt, dass die zu Beginn zitierte Aussage „Der Kubaner ist nicht zufrieden, wenn er nicht mindestens einmal am Tag Fleisch isst.“, nicht ganz richtig ist; kubanische Freunde und Gäste, die bei uns mitessen, sind regelmäßig begeistert und zugleich überrascht, in wie vielfältiger Weise veganes Essen lecker zubereitet werden kann.

Ein Grund für uns, im Anschluss an den theoretischen Teil der Veranstaltung, einen vegetarischen/veganen Kochkurs anzubieten um Multiplikatoren direkt vor Ort zu erreichen!IMG_3949

Nachdem wir gemeinsam diskutiert, gekocht, gegessen, gespaßt und gelacht haben, wurde in der Feedbackrunde zu dieser ersten Veranstaltung deutlich, dass sich unsere kubanischen Genoss_innen weitere Kooperationen mit uns vorstellen können und wünschen. Allein dadurch können wir diese Aktion bereits als vollen Erfolg für uns verbuchen. Unser Ziel ist es, als Proyecto Tamara Bunke verstärkt in den Austausch und in die Zusammenarbeit mit uns nahestehenden Organisationen vor Ort, wie zum Beispiel der UJC, der FEU, den CDR, oder dem Movimiento Excursionista, zu kommen.
Wie zukünftige Veranstaltungen aussehen sollen, sondieren wir diese Woche gemeinsam mit der UJC.

Fest steht aber schon jetzt, dass dies, neben weiteren Veranstaltungen, nicht die letzte Kochaktion gewesen ist!

RG

Das ist ein Artikel von Richard, weitere Beiträge von Richard gibt es hier.

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