125 Menschen versammelt am Straßenrand unter einer Autobahnbrücke. Gepäckhaufen auf dem Boden und verteilte Menschengrüppchen die sich angeregt unterhalten. Aufbruchstimmung – doch alle warten geduldig. Manche sind mit Trekkingrucksack, Wanderschuhen und faltbarem Wasserkanister ausgestattet, andere mit nicht mehr als einem vollgestopften Tagesrucksack, Wasserflasche und ausgelatschten Sportschuhen. Kinder schreien und schlängeln sich durch die Menge, sie spielen fangen. Ein kleines Mädchen in pink fällt hin und ihr wird sofort von den drum herum stehenden wieder auf die Füße geholfen, sie rennt weiter. Ein blauer Camión steht bereit, ein grünes Monster auf der Hinterseite aufgemalt – ein Monstertruck. Nach einer Stunde des geduldigen Wartens, Kennenlernens und Wiedertreffens kommt ein zweiter Transporter an. Alle quetschen sich mit Gepäck verteilt auf die beiden Transporter. So kommt man den noch unbekannten BegleiterInnen gleich viel näher als es der guten Form entsprechen würde, gegen Ende ist der Weg besonders holprig und es lässt sich kaum verhindern, seinem Nachbarn halb auf dem Schoß zu sitzen, wenn der Fahrer einem Schlagloch auf der Straße nicht mehr auszuweichen vermag.
Diese Situation beschreibt den Anfang einer zweitägigen Exkursion, organisiert von dem Movimiento Cubano de Excursionismo. Unser Ziel war der Pan de Guajaibón, mit 699 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Berg Westkubas, in der Provinz Pínar del Río.
Mit 120 Menschen zwei Tage wandern, campen, gemeinsam essen – eine besondere Erfahrung für mich. Die Essensversorgung ist gemeinschaftlich organisiert, jeder muss einen kleinen Teil tragen, der nach jeder gemeinsamen Mahlzeit etwas weniger wird. Die Wandergruppe hat eine Vor- und eine Nachhut, keiner bleibt zurück. Abends wird in einem großem Topf für alle gekocht, danach beisammen gesessen, gegen Mücken gekämpft, Feuer gemacht, gelacht, getanzt und geredet.
Am 11. Mai 2013 wurde die Movimiento Cubano de Excursionismo gegründet.
Die Movimiento ist auch an der CUJAE organisiert, die Objektive ist es, in Verbindung mit diversen Aktivitäten und Exkursionen Menschen für die kubanische Geschichte zu sensibilisieren, Kenntnis über das eigenen Land zu sammeln und nicht zuletzt die Zusammenkunft von KubanerInnen unterschiedlichster Altersgruppen, Lebenslagen und Situationen und somit die Festigung der Gemeinschaft und Bildung und grundlegender Werte wie der Solidarität zu fördern und ein positives Miteinander zu schaffen.
Es werden Exkursionen an die unterschiedlichsten Orte Cubas organisiert. Zu Fuß oder per Fahrrad geht es auf den Pico Turquino (der höchste Berg Cubas) oder an den Playa Girón (der Strand an der Schweinebucht) und grundlegende gesellschaftliche Arbeit wie z.B Brigaden, die Müllsammeln, oder auch Hilfsbrigaden (Wiederaufbau nach dem Tornado im Januar 2019) werden organisiert.
StudentInnen, alte Hasen die den Pan de Guajaibón schon mehrmals bestiegen haben und ganz Cuba bewandert haben und auch Neugierige, die bis dahin noch nichts mit dem Movimiento zu tun hatten und mehrere kleine Kinder begleiten uns mit ihren Eltern auf der Exkursion.
Während der Besteigung des Berges läuft ein paar Meter vor mir ein kleines fünfjähriges Mädchen mit ihrem Vater, der sie wachsamen Auges anleitet und zuweilen trägt. Es ist heiß, 30 Grad, wir haben unser Gepäck mitsamt Zelt und Verpflegung auf dem Rücken und auch den erfahreneren Bergsteigern läuft der Schweiß runter. So schleppen wir uns in einer langen Kolonne den Berg hinauf. Das kleine Mädchen vor mir plappert munter vor sich hin und fragt ihren Vater Löcher in den Bauch, der nicht müde wird, Antworten auf all ihre Fragen zu finden. Egal wie ausgepowert die Personen hinter und vor mir aussehen, jedem entlocken die naiven Fragen und Aussagen des kleinen Mädchen in pink ein kleines oder ein großes Lächeln. Bei größeren Hindernissen wie rutschigem Boden ohne Halt oder großen Stufen sind alle Hilfsbereit oder geduldig, wenn es vor ihnen länger dauert. Mit 120 hilfsbereiten Menschen, einem nie aus der Puste scheinendem Vater und Antworten auf alle naiven Fragen, die ein Kind stellt und Antworten die jeder zu geben bereit ist, erklimmt ein kleines Mädchen einen großen Berg. Doch es passiert noch viel mehr: Inmitten der Rücksicht, Hilfsbereitschaft, und Solidarität, die ich beobachtet habe, formt und entwickelt sich ein kleiner Mensch, erzogen in einem bewussten positiven Miteinander.
Auf dem Weg in eine solidarischere Gesellschaft sollten wir alle ein Selbstverständnis des positiven Miteinanders wie das Mädchen in pink erleben und erlernen können.
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