Oriente, Gibara in der heutigen Provinz Holguín. Es ist ein ruhiger Tag. Der Strand liegt da als würde er schlafen. Kaum eine Menschenseele ist zu sehen. Die Wellen schwappen sanft und friedlich an das Ufer. In der Nähe des Sandstrands von Gibara liegt ein Frachtschiff auf der ruhigen See. Ein deutsches U-Boot taucht auf und versenkt es mit der Bordkanone. Das U-Boot taucht ab, der Frachter versinkt.
Diese Geschichte wurde mir während meiner zahlreichen Aufenthalte in Gibara über mehrere Jahre hinweg immer wieder von verschiedenen Einheimischen jeglichen Alters erzählt, meist jedoch von der älteren Generation, den Zeitzeugen. Das beschriebene Erlebnis während des Zweiten Weltkrieges, lange bevor die Revolution ihre Errungenschaften und den postrevolutionären Fortschritt in das kleine ostkubanische Fischerdorf brachte, hat die Menschen nachhaltig beeindruckt. Um ehrlich zu sein, mich auch. Obwohl ich mich seitdem ich lesen kann immer schon mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt habe, war mir nicht bewusst, dass Karl Dönitz´„U-Bootmänner“ auch so nahe der amerikanischen Küste operierten.
Tatsächlich machten deutsche U-Boote bereits seit Anfang des Jahres 1942, also kurz nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember des Vorjahres, vor der nordamerikanischen Ostküste im „Wolfsrudel“ Jagd auf Handelsschiffe und drängten die Alliierten damit an den Rand einer Niederlage. Etwas später griffen sie dann auch Schiffe in der Karibik an. Kuba erklärte Nazi-Deutschland und seinem Verbündeten Japan als eines der ersten lateinamerikanischen Länder unmittelbar nach Kriegseintritt der USA den Krieg und wurde damit zum Alliierten – und zum Ziel der deutschen Kriegsmarine.
Von August 1942 an bis Februar 1944 versenkten deutsche U-Boote insgesamt sieben kubanische Dampfschiffe, 78 Kubaner und drei US-Amerikaner wurden dabei getötet.
Aufgrund der geographischen Lage Kubas am Eingang des Golfs von Mexico und Havannas Rolle als Haupthandelshafen Westindiens spielte Kuba keine unbedeutende Rolle im Seekrieg zwischen den Achsenmächten und den Alliierten. Zudem galt Kubas Armee als die effizienteste aller karibischen Staaten.
Heute vor genau einer Woche nahmen wir an der größten 1. Mai Parade der Welt in Havanna teil, über die ich an dieser Stelle
bereits berichtete. Das Kriegsende am 8. Mai 1945 ist für uns als aus Deutschland stammende AntifaschistInnen ebenfalls ein bedeutendes Ereignis. Obwohl sich das mittlerweile sozialistische Kuba ebenfalls zu der Allianz der Kriegssieger zählen darf wird dem 8. Mai vor Ort keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Ich habe einzig von einer Gedenkveranstaltung in der russischen Botschaft erfahren. Dass dieses Datum hier auf Kuba nicht besonders gefeiert wird und vielen Kubaner_innen auch nicht geläufig ist, hat mit Sicherheit auch etwas damit zu tun, dass der 8. Mai lediglich aus europäischer Sicht das Ende des größten und schrecklichsten Krieges aller Zeiten bedeutete. Für die USA, an denen sich Kuba orienterte, endete der Zweite Weltkrieg erst über drei Monat später, mit der Kapitulation Japans am 15. August 1945.
[1] Wolfsrudel: Im Verband angreifende U-Boote während des Ersten und Zweiten Weltkriegs.
RG
Dies ist ein Artikel von Richard. Weitere Artikel von Richard findest du hier.