Eine Teilnehmerin des Proyecto Tamara Bunke berichtet vom Internationalen Filmfestival in Gibara
Die Gibareños[1] erzählen die Geschichte einer gitana[2], die eines Tages an den Küsten Gibaras ankam und nach Wasser fragte. Dies wurde ihr nicht gewährt und so sprach sie einen Fluch aus, der dem Ort an allen Festtagen Regen bescheren würde. Auch dieses Mal sollte es nicht anders sein und dementsprechend war der Himmel mit kühlen Farben bestrichen und das Wasser strömte auf die Straßen Gibaras, als wir in unserer Unterkunft ankamen. Der Kontrast war umso größer, als wir die Straßen überquerten: denn dieses „Unglück“ konnte keinem die Freude und Lust nehmen, am Internationalen Filmfestival teilzunehmen, das auch unter dem „Festival del Cine Pobre“ [3]bekannt ist und vom cubanischen Regisseur Humberto Solas 2003 ins Leben gerufen wurde und seitdem jährlich stattfindet.
Der Name „Cine Pobre“ führt zu seinen Ursprüngen, der Absicht einen Rahmen zu erschaffen, um Filme zu unterstützen, deren Budget niedriger als 300 000 Dollar ist.
Im Grunde geht es dabei darum, Kunst eine Chance zu geben, die fern ab von Kommerz und Elitärem erschaffen wurde. Ein Ort, in diesem Fall die Stadt Gibara, wird zur Wurzel des kulturellen Austauschs der Völker der Welt, unter Einbezug der Bewohner Gibaras. Ein Ort, an dem sich jegliche Grenzen auflösen und Kreativität und Diversität im Mittelpunkt stehen.
Diversität und vor allem auch Qualität spiegelten sich im angebotenen Programm des Festivals wieder. Dokumentarfilme wie „La Madre“ (Die Mutter), „Nola“ oder „Julie“ lenkten ihren Blick auf die Thematiken Verantwortung, Familie, Musik, Rolle der kulturellen Wurzeln und das Zusammenleben.
Im Genre Spielfilm wurde der Film „Sicario“ von dem puerto-ricanischen Schauspieler und Produzenten Benicio del Toro angekündigt, der selbst eine Rolle in dem Film über die mexikanische Drogenmafia spielte. Außerdem begeisterte „Ultimos dias en la Habana“ vom Regisseur Fernando Pérez, ein humorvoller Film, der für rührende Momente im Publikum sorgte. Anhand der Geschichte eines Mannes, der frustriert von seinem Leben in Havanna, an seinem Traum in die USA auszuwandern festhält, werden ohne Scheu viele gesellschaftliche Themen Cubas behandelt, wie z.B. Arbeitssituation, Armut, Aids und die Alltäglichkeit.
So glänzte Cuba in dieser Woche. Denn neben den Filmen, bot das Programm auch Theaterstücke wie die Geschichte des cubanischen Boxers „Kid Chocolate“ oder aber auch „Jakuzzi“, dargestellt von drei jungen Schauspielern, die sich kritisch mit Fragen der Selbstfindung und der ökonomischen Situation Cubas auseinandersetzten.
Daneben standen jeden Tag Kunstausstellungen, Musik und Gespräche mit Künstlern auf dem Programm. So faszinierten die Werke des cubanischen Künstlers Juan Vicente Rodriguez Bonachea die Betrachter durch die Darstellung von surrealistischen Montagen nackter Körper, Tieren und musikalischen Instrumenten. Auch die fotografische Ausstellung des spanischen Künstlers Hector Garrido zog das Publikum an, denn in mehr als 100 Fotografien porträtiert er Künstler, Musiker, Schriftsteller, Sportler und Wissenschaftler.
Gastland des Internationalen Filmfestival war dieses Jahr Spanien. In der Casa de la Cultura[4] lud der spanische Regisseur Imanol Arias die Gäste Alba Gonzales, Regisseurin und Repräsentantin des Films „Julie“, und Guillermo Corrales, Vertreter der Spanischen Botschaft in Cuba, zum Gespräch über die Lage des spanischen Kinos ein.
Hier wurde von Imanol Arias eine wichtige Tatsache angesprochen, die einen großen Einfluss auf das Festival hat: Trotz der spürbaren Liebe und Unterstützung für das Festival von Seiten der Einwohner Gibaras, muss man feststellen, dass die Kinos relativ leer waren und die Filme kaum Publikum fanden.
Auch wenn das Festival immer größer wird und die Beliebtheit nicht abnimmt, müsse man weiterarbeiten. Denn ein Filmfestival ist kein Filmfestival, wenn die Menschen nicht ins Kino gehen.
Da eröffnet sich mir die Frage, wie sich dieses Phänomen erklären lässt, wenn man bedenkt, dass auch hier, wie in jedem Kino Cubas, der Eintritt nur zwei cubanische Pesos beträgt und andere Bereiche des Festivals, wie z.B. die blühenden Konzerte, die von großartigen Musikern gehalten wurden, gut besucht werden.
So gingen die Tage des Internationalen Filmfestival in der bezaubernden Stadt an der Küste schnell vorbei. Man verspürte eine gewisse Melancholie, die bunten Straßen verlassen zu müssen, zudem die Gibareños jeden Tag großartige Arbeit leisteten, um das Wohlgefühl aller aufrecht zu halten. Nichtsdestotrotz verschwand dieses Gefühl schnell, als ich mir in Erinnerung rief, dass in Havanna das französische Filmfestival wartet und dass diese künstlerischen Ereignisse nur ein Ast eines Kulturbaumes sind, der in Cuba lebt, blüht und wächst und vor allem für jeden zugänglich ist.
Anmerkungen:
[1] Gibareños: Die Bewohner des Kleinstadt Gibara
[2] Gitana: Spanisch für „Zigeunerin“
[3] Festival del Cine Pobre: Spanisch für „Kinofestival der Armen“
[4] Casa de la Cultura: Haus der Kultur
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