Deutschland, Hamburg, 21.30 Uhr. Neongelbes Licht lässt die Umrisse einer Gruppe von Jugendlicher erahnen, die sich im Halbdunkel einer „Netto“ Reklametafel zusammengerottet haben. Rauch steigt über ihren Köpfen auf, windet sich um besagtes Schild und wird von der Dunkelheit verschluckt. Es ist ruhig um diese Zeit, die Straßen wie leergefegt. In der Ferne ist das Schlagen eines Glockenturms zu vernehmen. Eine Fledermaus lässt sich auf einem Baum in der Nähe nieder und scheint die Gruppe mit durchdringendem Blick zu beobachten.
„Vodka, Gin, Whisky, Rum?, Wie wäre es mit einer Flasche Bacardi?“
Aus dem Schatten des gegenüberliegenden Parkhauses löst sich ein Umriss. Ein schwebendes Etwas, Hammer und Sichel auf er Gürtelschnalle, sowie eine olivgrüne Mütze mit rotem Stern, schräg auf dem etwas milchig, durchsichtigem Kopf sitzend, tritt in den Kreis der Jugendlichen.
Es ist das Gespenst des Kommunismus!
Die Jungs schauen gänzlich verwirrt drein, als der skurrile Gast mit freundlicher Stimme zu sprechen beginnt.
„Tut mir Leid, wenn ich mich in eure Angelegenheiten einmische, das ist eigentlich gar nicht meine Art, aber wenn ihr mir einen Moment Zeit gebt, würde ich gerne etwas zur Wahl eures Getränks für den heutigen Abend beitragen.“
Mit offenen Mündern blicken sich die Jugendlichen an. Einer von ihnen schaut zuerst ungläubig auf das Gespenst, dann in den Hals der leeren Bierflasche in seiner eigenen Hand und wieder zurück auf den auf und ab schwebenden Neuankömmling. Das Gespenst blickt erwartungsvoll in die Gesichter der Gruppe. Als keiner von ihnen Anstalten macht seinen Mund zu schließen, fährt es langsam fort.
„Ich fang mal so an“
Es räuspert sich kurz und beginnt in ruhigem Ton zu erzählen.
„Das Unternehmen Bacardi wurde 1862 in Santiago de Cuba von einem Katalanen mit dem Namen Facundo Bacardí gegründet. Dieser kam damals nach Kuba um schnelles Geld zu machen, arbeitete zuerst als Hilfskraft in einem Kurzwarenhandel und gründete später einen Wein und Spirituosenhandel.
Um sich international auszuweiten, scheute Barcadí mit seinem entstandenen Clan im laufe seiner Geschichte nicht einmal davor zurück, Geschäfte mit den Mafiastrukturen der Cosa Nostra zu treiben. Diese Machenschaften verhalfen dem Getränk mit dem allseits bekanntem Fledermaus-Logo auch außerhalb Kubas dabei an Einfluss zu gewinnen. So wurden Stück für Stück Fabriken und Brennereien auch in anderen lateinamerikanischen Ländern erbaut.
Ein Jahr vor der kubanischen Revolution von 1959 verließ Bacardi die Karibikinsel und ließ seine Marke offiziell als Produkt der Bahamas registrieren. Ungefähr drei Jahre nach der Revolution nationalisierte die revolutionäre Regierung Kubas alle Unternehmen, die auf der Insel ansässig waren – unter ihnen auch das Bacardí ́s.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und so begann das Unternehmen Bacardi aus dem Exil heraus antikubanische Arbeit zu leisten. Es ist bekannt, dass terroristische Organisationen, wie die RECE1 von Bacardi mitbegründet und finanziell unterstützt wurden. Unter anderem das 1976 verübte Bombenattentat auf ein kubanisches Flugzeug, bei dem 73 Menschen ums Leben kamen, und das maßgeblich von dem bekannten Terroristen Orlando Bosch geplant wurde, geht somit gewissermaßen auf das Konto Bacardi ́s. Orlando Bosch selbst war übrigens ebenfalls Mitglied der RECE. Auch
1 kubanische Vertretung im Exil
wurden durch das Unternehmen Mordanschläge auf die Drahtzieher der kubanischen Revolution, Ernesto Ché Guevara, sowie die Brüder Fidel und Raúl Castro finanziert und anschließend durch die CIA organisiert.
Die aggressiven Machenschaften des Unternehmens gegenüber Kubas, kosteten 1997 ebenfalls dem Italiener Fabio de Celmo, bei einem durch Posada Carriles, einem weiterem antikubanischem Terroristen, geplanten und durch Bacardi mitfinanzierten Anschlag auf das Hotel „Habana Libre“ das Leben.
Auch wenn das Unternehmen aus Werbegründen versucht sein kubanisches Image aufrecht zu erhalten, gibt es wohl kaum ein Getränk auf dieser Welt, das Kuba ferner ist als eben dieses. Übrigens, die bis heute gegen Kuba existierende Wirtschaftsblockade unterstützt man ebenfalls durch jeden Schluck Bacardi, während Havanna Club zum Beispiel ein guter Tropfen ist, dessen Konsum der kubanischen Bevölkerung zu Gute kommt.“
Mit diesen Worten endend, zieht das Gespenst, das sich während seiner Rede eine Zigarre angezündet hat, eine Flasche „Havanna Club“ aus seinem Rucksack, der, seinem Aussehen nach zu urteilen, aus NVA-Restbeständen zu stammen scheint und gießt den, teilweise immer noch mit offnem Mund dastehenden Zuhörern jeweils ein Glas ein.
„Für eine Abschaffung der Blockade, für ein freies, humanes und natürlich sozialistisches Kuba“
fügt das Gespenst noch mit einem Augenzwinkern an seine Rede hinzu, tritt den Rest seiner Zigarre auf dem Boden aus und wendet sich zum gehen. Bevor es gänzlich hinter der Straßenecke verschwindet ruft es der Gruppe noch zu:
„Ich werde jetzt an anderer Stelle gebraucht, einen schönen Abend noch die Herrschaften“
Dann ist es genauso plötzlich verschwunden, wie es aufgetaucht ist. Zuerst wird die darauf folgende Stille vom Zuklappen eines, bis jetzt offenem Mundes, unterbrochen. Einen kurzen Augenblick später durch das Flügelschlagen der wegfliegenden Fledermaus, über den Köpfen der Gruppe.
Heute hat sie ihr Ziel nicht erreicht.
Quellen:
www.soliconcuba-heidelberg.com
Hernando Calvo Ospina: „Im Zeichen der Fledermaus. Die Rum-Dynastie Bacardí und der geheime Krieg gegen Cuba“