Montag morgen, kurz vor Neun betrete ich die Ciudad libertad und mache mich auf den Weg zu meinem Spanischkurs. Dieser findet in der Ciudad libertad statt, einem ehemaligen Militärkomplex der nach der Revolution zu einer Bildungseinrichtung umgebaut wurde. Heute befinden sich mehrere Kindergärten, Grundschulen, weiterführende Schulen, Ausbildungsstätten und die „HoChiMin Schule für Autisten“ auf dem Gelände. Sobald man das Tor durchschritten hat riecht es in der gesamten Umgebung nach Bildung. Der Kurs findet an der Fakultät für Fremdsprachen der pädagogischen Universität statt. Gleich beginnt der Unterricht. ?Hola, como estan? „Guten Tag, Wie geht es euch?“ Das ist meistens die erste Frage unsere beiden Lehrerinnen, die uns sechs Neuen 3 mal die Woche unterrichten. Der Unterricht beginnt immer mit einer Wiederholung der letzten Stunde in der wir alle nochmal die wichtigsten Sachen die wir gelernt haben Revue passieren lassen. Wenn jemand was nicht verstanden hat fällt die Wiederholung auch schon mal länger aus, bis jeder das vorher gelernte auch wirklich anwenden kann. Anschließend erarbeiten wir neuen Stoff und am Ende der Stunde wird nochmal alles zusammengefasst. Beendet wird der Unterricht meisten mit der Frage „Aprenden? Are you learning?“
Das ist unseren Lehrerinnen nämlich am wichtigsten, das wir lernen und das gelernte auch anwenden können. Entsprechen ist auch der Unterricht aufgebaut. Es gibt keinen Lehrplan zu erfüllen und auch kein Lehrbuch abzuarbeiten, sodass wir selber mitbestimmen dürfen was wir lernen wollen. Anfangs waren das vor allem alltägliche Dinge, die uns das Leben hier auf Kuba erleichtern. So haben wir uns in der ersten Woche unter anderem ausführlich mit Richtungsangaben beschäftigt. Da es in Kuba nicht immer einfach ist eine Adresse zu finden, müssen wir alle häufig nach dem Weg fragen. So konnten wir das im Unterricht gelernt auch gleich in der Praxis anwenden. Außerdem waren wir mit Magarita (einer unserer Lehrerinnen) auf dem Markt einkaufen, um die Namen der wichtigsten Kubanischen Lebensmittel zu lernen.
Gerade im Vergleich zu meinem Spanischkurs letzte Semester an der Uni, der von der Volkshochschule angeboten wurde, fällt mir auf, wie viel mehr der Unterricht hier wirklich auf das erlernen der Sprache ausgerichtet ist.
In der Uni begann der Unterricht erst mal damit uns zu erklären wie wir Leistungspunkte erwerben bzw. ein Zertifikat erhalten können. Ob wir dabei die Sprache lernen war eher sekundär. Für Wiederholungen war keine Zeit, aber dafür zu kontrollieren ob wir auch alle das Protokoll der letzten Unterrichtsstunde in die Onlinelernplattform hochgeladen haben. Außerdem war der gesamte Unterricht auf Medien, wie das Lehrbuch oder das Lernprotal im Internet, fixiert. Dadurch haben wir viel Zeit damit verbracht zu warten bis die Technik funktioniert oder grammatische Themen anzuschneiden, die niemand aus dem Kurs verstanden hat. Das Anwenden und sprechen der Sprache war nicht wichtig, wodurch der Unterricht sehr steif und demotivierend war. Ziel des Sprachkurses an der Uni war es, wie so häufig an den Universitäten in Deutschland, eine Pseudo- Kompetenz zu erwerben und nicht die Sprache zu verstehen oder gar anwenden zu können.
Ganz anders auf Kuba. Unserer Lehrerinnen haben verstanden, das es für uns am wichtigsten ist uns hier auf Kuba zurecht zu finden und verständigen zu können. Genau darauf ist der Unterricht ausgerichtet. Zudem gibt es ein sehr persönlichen Umgang, was zu einer guten Lernatmosphäre führt. Ein Lehrbuch benutzen wir nicht, aber der Alltag hier bietet auch so genügend Praxisbeispiele für den erlernten Stoff, welchen unserer Lehrerinnen nicht nur an der Tafel erklären, sondern wir auch immer in Beispielen anwenden und wiederholen. Besonders viel Wert legen sie darauf, dass wir im Unterricht viel sprechen und nicht nur von der Tafel abschreiben oder zuhören.
Der Klassenraum ist sehr einfach eingerichtet, aber ich vermisse weder Beamer noch Laptop(der in Deutschland ja in jedem Unterricht mittlerweile benutzt wird). Statt auf den Beamer zu schauen, schreibe ich wieder viel von der Tafel ab, wodurch ich einen viel natürlicheren Umgang mit der Sprache erlerne, als ich es aus Deutschland kenne. Auch das wir im Unterricht nur Spanisch reden hilft dabei Hemmungen abzubauen und ein Gefühl für die Sprache zu bekommen. Und das überwinden der dabei manchmal auftretenden Verständigungsprobleme ist auch ein gutes Training für den Alltag. Da wir nur wenig Leute sind, nämlich sechs, haben unsere Lehrerinnen auch genügend Zeit auf uns einzugehen. Fragen, auch wenn sie gerade nichts mit dem Thema zu tun haben, werden immer beantwortet, Erlebnisse des Wochenendes ausführlich kommentiert und Altgassituationen mit einem Exkurs über das Leben auf Kuba illustriert. So lerne ich nicht nur die Sprache sondern auch viel über Kuba. Dabei merkt man unseren Lehrerinnen auch an wie viel Spaß sie am unterrichten haben und wie sehr sie sich freuen, das wir nicht nur ein Interesse an der Sprach, sondern auch an dem Land haben. Und auch wie stolz sie auf ihr Land und das gute Bildungssystem dort sind. So macht Spanisch lernen wirklich Spaß.
Aber kein Kurs ist so gut wie der Alltag hier in Havanna. Beim Einkaufen, im Bus, am Strand in der Uni überall dort unterhalte ich mich mit Menschen und lerne so täglich mehr über die Kubanisch Gesellschaft, das Leben hier und natürlich die Sprache.
Dieser Artikel ist von Esther. Hier geht es zu weiteren Artikeln von Esther.
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