Ein Tag im Leben von Humberto – Das Problem der umgekehrten Lohnpyramide

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Humberto, der als Mathematikprofessor an der Universität von Havanna arbeitet.

5:00 AM, der Wecker klingelt wie jeden Morgen um diese Zeit. Humberto steht auf um sich sein Frühstück zuzubereiten und sich frisch für den anstehenden Arbeitstag zu machen. Er ist Mathematikprofessor an der Universität von Havanna (UH) und lebt etwas außerhalb mit seiner Stieftochter und deren Mann. Seine Frau lebt nicht gemeinsam mit Ihnen. Sie lebt auf der Insel Caymon doch Humberto kann dort wegen seiner Arbeit nicht Leben.

Um ca. 6:00 AM macht er sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Der tägliche Weg zur Arbeit gestaltet sich nicht immer ganz leicht auf Grund der schwierigen Verkehrsanbindung. Es gibt keine genauen Fahrpläne und mit einer Maquina (eine Art Linientaxi als Alternative zu Bussen) ist es für ihn zu teuer. Daher plant er immer genügend Zeit für seinen Weg ein.

Zwischen 7:00 AM und 7:30 AM erreicht er dann für gewöhnlich die UH und bereitet sich auf seinen Unterricht vor der um 8:00 AM startet. Normalerweise gibt er pro Tag 2-3 verschiedene Vorlesungen mit ca. 50 Studenten die sich auf Montag, Mittwoch und Donnerstag verteilen. Die restlichen Tage der Woche verbringt er damit Artikel zu schreiben, zu forschen oder Seminare zu geben.

Um 12:00 AM geht er dann täglich in der Mensa essen. Hier bekommt er meistens Reis und Bohnen, vielleicht ein kleines Stück Fleisch und ab und zu auch einen Nachtisch für 1 Moneda Nacional (umgerechnet 0,04 Euro). Manchmal bekommt man auch Jogurt, der allerdings extra kostet. Wasser bekommt man grundsätzlich kostenlos.
Am Nachmittag gibt er dann häufig noch Nachhilfeunterricht.

Gegen ca. 4:00 PM hat Humberto dann Feierabend und der „Busstress“ des Morgens beginnt wieder von vorne. Für gewöhnlich trifft er gegen 6:00 PM zu Hause ein, wo seine Stieftochter meistens etwas gekocht hat (häufig wieder Reis mit Bohnen). Nachdem er seinen Haushalt etwas auf Vordermann gebracht hat und sich auf den nächsten Tag vorbereitet hat, verbringt er seinen Feierabend, damit die Nachrichten zu sehen und Filme zu schauen. Normalerweise geht er gegen 10:00 PM geht er dann zu Bett.

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Humberto verdient im Monat rund 800 Moneda Nacional, was zwar etwas über dem Durchschnitt eines normalen kubanischen Verdienstes liegt, jedoch im internationalen Vergleich sehr wenig für den Lohn eines Professors ist. Er und seine Familie sind angewiesen auf die Libreta und es wird in der Bodega eingekauft, Lebensmittelgeschäte zu staatlich subventionierten Preisen. Mit der Libreta können dort zu symbolischen Preisen Lebensmittel erworben werden (Bohnen, Reis, Kaffee, Salz, etc.). Doch häufig reicht das was man von der Libreta kaufen kann nicht für den ganzen Monat aus, weil natürlich ab und an auch Kosten für verschiedene Dinge wie Kleidung, Reparaturen und anderes anfallen. In der 70ern studierte er in der DDR, deshalb erhofft er sich auf Grund seiner guten Deutschkenntnisse nebenberuflich als Touristenführer arbeiten zu können und gibt zusätzlich noch Nachhilfe an den Wochenenden. Er berichtet, dass die kubanische Regierung geplant hat in Zukunft die Libreta für gut verdienende Personen abzuschaffen um Bedürftigen gezielte Unterstützung zukommen zu lassen.

Seiner Ansicht nach sind 70-80% dieser Schwierigkeiten der Blockade durch die USA geschuldet. In den 1980ern sei alles anders gewesen. Er konnte sich in den Ferien leisten in Hotels wohnen, es gab nur eine Währung die deutlich mehr Kaufkraft besaß wodurch er sich von seinem Lohn deutlich mehr leisten konnte. Das Problem kam dann mit der Zusammenbruch der Sowjetunion und der DDR: Kuba verlor 80 % seines Außenhandels.
„Es ist ein Wunder das Kuba überlebt hat“, sagt er.
Die Ideen der kubanischen Revolution sind das alle Personen gleichgestellt sind und die Bereicherung einiger weniger Privatpersonen ist nicht vom Staat gewollt. Natürlich passiert dies leider trotzdem. Viele Fachkräfte wie Lehrer, Ärzte, oder Ingenieure wanderten und wandern ins Ausland ab, auch wenn sie dort häufig keine Chance auf eine Anstellung in ihrer Branche haben. Es gab auch einige Suizide, weil die Inflation und die ökonomischen Probleme vielen Menschen eine Perspektivlosigkeit bereitet haben.

Heute sind noch immer fast alle großen Unternehmen und Einrichtungen in staatlicher Hand, doch viele kleine Betriebe können unterdessen privat geführt werden. Dadurch passiert es, dass beispielsweise ein Cafebesitzer oder ein Taxifahrer unverhältnismäßig viel mehr verdienen als z.B. ein Lehrer oder Arzt. Gerade in der Touristikbranche kann sich jemand durch Trinkgelder an einem Abend mehr dazu verdienen, als manch anderer in einem ganzen Monat erhält. Diese Personen können dann auch immer noch auf die Libreta zurückgreifen, was ein großes Ungleichgewicht entstehen lässt. Dadurch hat sich in Kuba das Problem „der umgekehrten Lohnpyramide“ entwickelt. Der kubanische Staat sollte und will an staatliche Arbeiter mehr zahlen um dieses Problem zu beseitigen, kann dies aber nicht leisten. Eine elementare Frage ist wie Kuba es schaffen kann trotz der Blockade und den internen Problemen mehr zu produzieren um viele Dinge für mehr Menschen leichter zugänglich zu machen.

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Humberto berichtet, dass trotz vieler Probleme das hiesige System sehr viele Vorteile hat. Er, als persönlich Betroffener, konnte nach der Revolution 1959 deutlich spüren wie der Rassismus maßgeblich abgenommen hat. Jegliche medizinische Versorgung und auch das komplette Bildungssystem sind kostenlos für jedermann zugänglich. Er genießt es sehr, wie nach der Revolution der Egoismus der Menschen weniger geworden ist und die Solidarität untereinander stark zugenommen hat. Er berichtet beispielsweise wie in Angola ab 1975, rund 39.000 Kubaner_innen freiwillig gegen die Apartheidsregime kämpften oder auch von Kubas Hilfe im Kampf gegen Ebola in dem beispielsweise ein Arzt erkrankte und dem Tode nahe war, in Kuba dann wieder gesundete und im direkten Anschluss daran wieder nach Afrika ging um seine Arbeit dort fortzuführen. Allerdings bereitet ihm die Ansicht vieler junger Menschen Sorge, weil diese die Revolution nicht miterlebt haben.
Er stellt sich auch die Frage, ob Kuba es schafft die Werte der Revolution auch im Kontext der aktuellen wirtschafts Reformen beizubehalten. Doch Humberto ist sehr optimistisch das Kuba dies schaffen wird, denn er betrachtet die Ideen der kubanischen Revolution als eine Lebensphilosophie die in jedem Kubaner_in steckt.

Das Leben in Kuba bietet jedoch auch Nachteile für einige. Wie bereits erwähnt sind seiner Ansicht nach 70-80% der Probleme durch die USA-Blockade geschuldet, wie z.B. die Defizite beim Im – und Export, der Produktion, den Gehälter und der Verkehrsanbindung. In seinen Augen könnte Kuba allerdings effizienter in der Ökonomie sein. Durch diese und andere bürokratische Probleme existiert oft ein täglicher Nervenkrieg (Essen, Wie kommt man von A nach B, etc.). Viele Kubaner_innen kritisieren das es nur eine Partei gibt. Dazu sagte Humberto „Wie viele Köpfe hat ein Mensch? Nur einen! Also ist eine Partei für mich genug.“ (Aufklärung zum wirklichen Wahlsystem Kubas findet ihr hier.) Die USA seien gewillt genau diese Kritik, das Ärgernis und die Müdigkeit vieler auszunutzen um so einen „stillen Krieg“ gegen Kuba zu führen.

Humberto lebte in der Vergangenheit ein Jahr lang in Mosambik und konnte dort auch das Leben in einem anderen System beobachten. Er denkt über den Kapitalismus, das er gut und effizient für das Individuum ist solange man viel Geld hat. Doch er ist furchtbar wenn das, wie für die meisten, nicht der Fall ist. Der Kapitalismus sei schön wenn alle reich wären und es keine Gewalt gäbe, doch da die Ressourcen unserer Welt nicht ausreichten sei es nicht möglich Reichtum für alle zu schaffen und die gewählte Methode Reichtum für zumindest einige wenige zu schaffen sei nun mal Gewalt und darum sei man ständig und überall mit ihr konfrontiert.
„Der Kapitalismus ist nur eine Stufe auf der Treppe unserer Geschichte, doch die Hauptfrage ist ob die Menschheit nach dieser Stufe überhaupt überleben kann oder sich vielleicht durch Kriege und Klimawandel selbst zerstört haben wird.“

Dieser Artikel ist von Alisa, hier geht es zu mehr Artikeln von ihr.

3 Gedanken zu „Ein Tag im Leben von Humberto – Das Problem der umgekehrten Lohnpyramide“

  1. Humbertos Ansichten gefallen mir. Ich würde gerne mit ihm in Kontakt kommen. Kann ich seine E-Mail-Adresse bekommen?

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Hermann Wollner

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