Eine CDR-Feier in Kuba – Impressionen vom 27. September in Havanna

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Das ganze Viertel riecht nach Suppe und aus fast allen Straßenecken tönt Reggueton. Kleine Menschenansammlungen vergrößern sich und die Straße scheint erstaunlich voll für einen Sonntagabend: Kuba feiert heute in den 28. September hinein, den 55. Jahrestag der Gründung der CDRs, der »Komitees zur Verteidigung der Revolution«. Am 28. September 1960 wurden die CDRs auf Initiative Fidel Castros als lokale Bürgermilizen gegründet, um das Land vor den zahlreichen Terror- und Brandanschlägen zu schützen, die damals von Seiten der USA gegen die junge Revolution in Kuba begangen wurden.

Suppe, Rum und Kuchen

Mehr als 8,5 Millionen Kubaner (praktisch jeder ab 14 Jahren bis ins hohe Alter hinein) sind heute Mitglieder der Komitees, die sich heute eher als Nachbarschafts- und Graswurzelorganisation verstehen. Denn neben der revolutionären Wachsamkeit gehören noch ganz andere Aufgaben zu den CDRs: Die Sammlung von Blutspenden, das Aufsammeln von Müll in der Nachbarschaft, die Organisation politischer Meetings um die Probleme des Viertels zu besprechen sowie die jährliche Fiesta am Jahrestag der Gründung, von der ich nun erstmals aus eigener Erfahrung berichten kann.

Zusammen mit einer jungen finnischen Priesterin, die ebenfalls in meiner Casa wohnt, zog ich an jenem Sonntag durch die Straßen um eine der zahlreichen Feiern zu finden. In unserer Straße fiel die fiesta dieses Jahr aufgrund eines Todesfalls in der Nachbarschaft aus, so dass wir zu anderen Orten aufbrechen mussten. Doch nicht weit von uns, in der Calle Ayestaran, wurden wir bereits fündig. Eine Gruppe Kubaner gemischten Alters stand in angeregter Unterhaltung um einen dampfenden Suppenkochtopf versammelt und ich wusste, dass wir hier richtig sind. Nach kurzem Smalltalk waren wir denn auch beide herzlich eingeladen, an der Feier teilzunehmen.

Zunächst zogen wir jedoch wieder weiter – mit gänzlich leeren Händen wollten wir schließlich nicht auftauchen. Es war gegen 21 Uhr und wir konnten noch problemlos eine Flasche Rum und eine Packung Kekse organisieren, ehe es wieder zurück zur Feier ging. Das CDR mit dem Namen »America Latina« richtete die Feier im Vorgarten eines Apartments aus, in dem insgesamt 66 Personen leben, viele davon schon im fortgeschrittenen Alter. Die erste halbe Stunde saßen wir ein bisschen isoliert auf den Treppen des Hauseingangs und beobachteten das bunte Treiben: Die kubanische Fahne wurde aufgehängt und unser Mitbringsel samt den anderen Gaben des Abends auf einem kleinen Holztisch vor der Fahne hingestellt. »Es sieht aus wie ein kleiner Altar«, sagte ich zu meiner finnischen Priesterin, die mir lachend zustimme.

Ungezwungenes Miteinander bis spät in die Nacht

Gegen 22 Uhr wurde die Feier mit einer Transvestitenshow eröffnet: Ein Nachbar tanzte als Frau verkleidet die umstehenden Männer an. Zur Musik von »Gente de Zona«, einer bekannten Reggueton-Band, wurde getanzt und gelacht. Bald darauf kamen wir ins Gespräch mit den Nachbarn, die uns die »Caldosa« servierten, jene fleischhaltige Gemüsesuppe, die seit 55 Jahren traditionell auf jeder CDR-Feier gekocht wird. »Hier trägt jeder seinen Teil dazu bei«, erklärte mir eine Nachbarin. Einige Tage vorher wird in der Nachbarschaft gesammelt, so dass es an jenem Abend mehr als genug für alle gab: Suppe, Rum, Wein, Kekse, Kuchen und Popcorn bildeten neben der Musik die Grundlage für die Feier.

Eine Stunde später hielt Fidel, der Präsident des hiesigen CDRs, eine heitere Rede an die Nachbarn, in der wir herzlich als »Ehrenmitglieder des CDRs« aufgenommen wurden. Es wurde laut gelacht als einige Nachbarn am Ende der Rede ein doppeldeutiges »Viva Fidel!« anstimmten, anschließend kamen jung und alt zum Salsa-Tanz zusammen. Was mich besonders beeindruckt war eben jener Austausch zwischen den verschiedenen Generationen. Vom Kleinkind bis zum Rentner waren alle versammelt, um in den Montagmorgen hineinzufeiern. Das fröhliche und ungezwungene Miteinander, die Herzlichkeit mit der wir als zwei vollkommen fremde aufgenommen wurden – all das ist schwer zu Beschreiben für uns Europäer, die wir kaum unsere eigenen Nachbarn beim Namen kennen.

Die Organisation der kubanischen Familie

»So etwas habt ihr in Deutschland nicht, stimmt’s?«, fragte mich eine der Nachbarinnen. »In Kuba kümmern wir uns um unsere Freunde und Nachbarn, jeder ist für den anderen da und wenn mir etwas fehlt, brauche ich nur an der nächsten Tür zu klingeln. Auch die alten Leute hier sind nicht allein. Wenn jemand krank wird, kümmern sich die Nachbarn. Was wir haben, wird geteilt.« Und schon war das nächste Lied auf den Lippen der Leute, die einfach nicht müde wurden zu tanzen.

Kurz nach Mitternacht mussten wir jedoch die Musik abstellen, schließlich ging es für die meisten am Montag wieder an die Arbeit. Am Ende der Feier wurde die kubanische Hymne angestimmt und wir verabschiedeten uns aufs herzlichste von unseren neuen Freunden, die uns für nächsten Sonntag wieder zu einer gemeinsamen Aktivität einluden: Das Viertel durch die gemeinsame Arbeit der Nachbarn verschönert werden.

Für mich haben die CDRs nun ein Gesicht bekommen, welches nicht weiter vom Zerrbild entfernt sein könnte das die deutschen Medien so gerne transportieren. »Die Organisation der kubanischen Familie«, nannte unser Präsident die CDRs. An jenem Abend konnte ich keine Spur von Misstrauen entdecken. Niemand hatte Probleme damit auch kontroverse politische Themen in Gegenwart des etwa 70-jährigen Präsidenten anzuschneiden, der von den Nachbarn als Freund und Helfer geschätzt wurde. Für mich war dies eine gelungene Feier für jung und alt, ein Austausch der Generationen und ein von herzlicher Inklusion geprägter Ausdruck von guter Nachbarschaft, Freundschaft und menschlicher Solidarität.

Dieser Artikel ist von Marcel, hier geht es zu mehr Artikeln von ihm.

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