Wenn 2 Millionen Menschen Geburtstag feiern

Die Menschenmassen strömen in gleichmäßigem Tempo über die breite Uferpromenade, die zu diesem außergewöhnlichen Anlass für den sonst so hektischen Straßenverkehr gesperrt ist. Lange Schlangen bilden sich vor den rauchenden Pavillons, die unter anderem gebratenes Hähnchen, Dosenbier und Refrescos (Softdrinks) zum Verkauf anbieten. Von links und rechts schallt immer wieder der eingängige Rhythmus des Reggaeton aus Boxen, die von tanzenden Kubanern regelrecht umlagert werden. Die Stimmung wirkt ausgelassen, jedoch liegt in Erwartung des abendlichen Höhepunktes zunehmend Spannung in der Luft. Es scheint, als hätte sich an diesem leicht verregneten Freitag die ganze Stadt zum Auftakt einer besonderen Feierlichkeit versammelt: dem 500. Jahrestags Havannas.

Ein geordnetes Chaos – Menschenmassen auf dem Malecón (eigene Aufnahme)

Der 16. November 1519 gilt in der Geschichte als Gründungstag, weshalb die offizielle Jubiläumsfeier auch auf diesen Tag datiert. Tatsächlich war Havanna in ihren Anfängen weder Hauptstadt des Landes, noch gründete sich die heutige Metropole vor 500 Jahren an der Nordküste der Insel. Zunächst entstand zwischen den Jahren 1514 und 1515 auf der Südseite Kubas eine Siedlung, deren Errichtung auf den spanischen Konquistador Diego Velázquez de Cuéllar zurückgeht. Die geografische Lage, die sich mit der Zeit als strategisch ungünstig erwies, veranlasste die spanischen Kolonialherren zur Neugründung im Jahr 1519 am Eingang der Bucht „Puentes Grandes“, die vor Angriffen deutlich besser geschützt war und in deren Umkreis sich das heutige Havanna zu einer Weltstadt entwickeln konnte. Am besagten 16. November soll den Überlieferungen nach eine Messe anlässlich der Gründung unter einem sogenannten Kapokbaum stattgefunden haben, der durch seine Langlebigkeit eine symbolische Bedeutung im Zusammenhang mit der Historie Havannas erlangte. Infolgedessen wuchs der kleine Ort zum größten Handelszentrum der nördlichen Karibik heran, das im Jahr 1552 Santiago de Cuba den Status der Hauptstadt abringen konnte. 

Der Ort, an dem vor 500 Jahren alles begann – ”El Templete“ am ”Plaza de Armas“ (eigene Aufnahme)

Ein halbes Jahrtausend später ist in den Straßen „Habana Viejas“ (Altstadt von Havanna) von der einstigen Macht der spanischen Krone bis auf die Gegenwart barocker sowie neoklassizistischer Architektur nicht mehr viel zu sehen. Während von einigen dieser Gebäude nur noch das Grundgerüst steht oder sie zumindest schon seit längerer Zeit den Status der Baufälligkeit erreicht haben, werden andere aufwendig kernsaniert und in einzigartige Schmuckstücke verwandelt. So konnte pünktlich zum Jubiläum auch das nunmehr größte Kaufhaus Kubas („Cuatro Caminos“) wieder seine Türen öffnen. Die Kuppel des in der amerikanischen Einflussphase erbauten Kapitols erstrahlt nach jahrelanger Renovierungsphase ebenfalls in neuem, goldenem Glanz. Zu Beginn der Vorbereitungen wurde überall in der Stadt bereits der Schriftzug „La Habana 500“ angebracht. Sei es die Folierung auf einem der staatlichen Autos, der Aufdruck an der Bushaltestelle oder das große Reklameschild am Straßenrand, alles deutet auf ein großes Fest hin, das keiner verpassen darf.

Zurzeit an jeder Straßenecke der Hauptstadt zu sehen – das Jubiläumslogo (eigene Aufnahme)

Ein Tag vor der offiziellen Jubiläumsfeier (Freitag, 15.11.) kann man schon einen vielsagenden Überblick über den Umfang des Events erlangen, als die Massen sich am Malecón versammeln, um dem auf der Ostseite der Stadt entzündeten Feuerwerk aus sicherer Entfernung und mit gutem Blick beizuwohnen. In den Nachthimmel werden Raketen geschossen, die die Worte „Habana“, „500“, „Viva“ und „Fidel“ formen und zu begeistertem Applaus unter den Schaulustigen führen. Am frühen Samstagabend finden sich dann nach und nach immer mehr Menschen in den großen Parks rund um das Kapitol ein („Parque Central“ und „Parque de la Fraternidad“), um zumindest einen Teil der spektakulären Show mitzuerleben, die auf den Stufen des zukünftigen Sitzes der Nationalversammlung der Volksmacht stattfindet. Anwesend sind die wichtigsten Personen des Landes, darunter Raúl Castro (Oberbefehlshaber der Armee) und Miguel Díaz-Canel (Präsident Kubas), wobei dem 2016 verstorbenen „Comandante en Jefe“ (Oberbefehlshaber) Fidel Castro Ruz gedacht wird. Den absoluten Höhepunkt des Abends bildet ein Schauspiel, das Musik und Pyrotechnik vereint. Eine kanadische Firma arrangierte im Voraus das Zusammenspiel aus einem Stück des kubanischen Musikers Maestro Frank Fernández und über 16.000 Feuerwerkskörpern, die über dem Kapitol für ein bis dato ungesehenes Spektakel sorgen. Reynaldo García Zapata, Präsident der Provinzialversammlung, beschreibt das Jubiläum in der Parteizeitung `Granma´ als „homenaje a la obra de la Revolución“ („Ehrung des Werkes der Revolution“) und auch Díaz-Canel findet an diesem Abend starke Worte: „La Habana puede considerarse como capital de la resistencia contra el neoliberalismo y el imperialismo“: „Havanna kann sich als Hauptstadt des Widerstandes gegen den Neoliberalismus und Imperialismus bezeichnen“.

Ein einzigartiges Bild – Raketen über dem Kapitol (eigene Aufnahme)

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