Eine Gesellschaft erkennt man daran wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht

Ein spannender und zum Verständnis dieses Landes beitragender Aspekt dieses Projektes, ist nicht zuletzt das Kennenlernen verschiedener gesellschaftlicher Institutionen und Prozesse.

So besuchten wir vor geraumer Zeit, auf der Isla de La Juventud ein Altenheim. Wir erhielten zum Einen eine Führung durch die Räumlichkeiten der Bewohner, und zum Anderen die Möglichkeit, sowohl mit einigen dort lebenden Menschen, als auch mit dem angestellten Personal zu reden und Fragen zu stellen.
Während des Rundgangs, erklärte man uns zuerst die rechtlichen Grundlagen der älteren Bevölkerung auf Kuba. Fidel hatte sich zu seiner Zeit, um die Älteren wie um die Jüngeren Menschen der Gesellschaft kümmern wollen. Er hatte die Idee vor Augen, den Menschen, die eine geraume Zeit ihres Lebens für die Gesellschaft arbeiteten, auch im Alter noch ein qualitativ hochwertiges Leben zu ermöglichen.

Das Renteneintrittsalter beträgt auf Kuba für Frauen 57 Jahre und für Männer 60 Jahre. Ein Kubaner der mindestens 25 Jahre seines Lebens gearbeitet hat, erhält eine Rente von 200 bis 220 Peso im Monat. Die monatlichen Kosten für einen Platz im Altenheim betragen 40 Peso. Hier sind Unterkunft, Essen, Medikamente und übriges Lebensnotwendige enthalten. Über die übrig bleibende Differenz dürfen die Menschen frei verfügen. Hat ein Mensch nicht die notwendigen 25 Jahre seines Lebens gearbeitet, werden ihm die Kosten vom Staat erstattet. Des Weiteren erhalten Raucher ohne Rente 60 Peso monatlich für Zigaretten. Hat ein Mensch sein Leben lang geraucht, möchte man ihm in seinen letzten Jahren nicht auch noch einen Entzug zumuten.
Auch im Altenheim wird auf das Einbeziehen der dort lebenden Menschen wert gelegt. Sie sollen, wie in der sozialistischen Gesellschaft allgemein, mitbestimmen können wie sie leben. So wird innerhalb des Heims ein Bewohnerrat gewählt, welcher sich in regelmäßigen Abständen trifft. Hier wird über das Leben innerhalb und außerhalb des Heims diskutiert und beratschlagt. Natürlich kann jeder Bewohner mitdiskutieren und Veränderungswünsche anbringen, sei es im Speiseplan oder im persönlichen Freiraum, eben in allem das Leben Beeinflussende. Der gewählte Rat, mit Vorsitzendem und Vize-Vorsitzendem ist vermittelnde Instanz zwischen Bewohner und Personal. Laut deren Aussage sind sie mit der Anerkennung und Umsetzung dieses Prozesses auch durchaus zufrieden. Nicht zuletzt hält allein das Diskutieren und Ausfüllen einer agierenden Rolle, den Geist am Leben. Natürlich gibt es auch Bewohner, die bereits bettlägerig und zu dieser Art von Mitbestimmung nicht mehr in der Lage sind. Ein schöner Anblick ist dieser Schritt des menschlichen Lebenszyklus leider an keinem Ort der Welt. Allerdings ist es der kubanischen Leitung des Altenheims mehr als hoch anzurechnen, dass sie einer Gruppe außenstehender, und dann auch noch Jugendlicher aus dem kapitalistischen Ausland, die Türen öffnen, und offen Rede und Antwort stehen.
So erhielten wir am Schluss noch die Möglichkeit, mit einer Angestellten über Gehalt und Arbeitsbedingungen zu reden. Sie verriet uns, dass sie 790 Peso monatlich verdient. Als Vergleich kann angeführt werden, dass ein Professor nur unmerklich mehr verdient, nämlich ca. 800 bis 890 Peso monatlich. Sie arbeitet ca. 40 Stunden pro Woche und hat Anspruch auf 20 Tage Urlaub im Jahr. Das Verhältnis zwischen ihr und dem noch immer anwesenden Rat der Ältesten schien freundschaftlich. Wir sprachen sie auch auf Überarbeitung, Ausbeutung, Leistungsdruck, fehlende Anerkennung, all der Dinge, die in Deutschland im Bereich der Altenpflege Gang und Gebe sind, an. Sie sagte uns drauf hin, mit einem etwas schockierten Lächeln, dass das hier anders sei. Sie arbeite gerne mit den älteren Menschen zusammen und fühle sich auch zeitlich in der Lage dazu, ihren Job gut zu machen.

Rund zwei Monate später, an einem anderen Ort Kubas, nämlich in Sancti Espiritu, hatten wir ein weiteres Zusammentreffen mit den Teilnehmern eines Projekts älterer Menschen. Trafen wir im Altenheim auf Menschen, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters oder Krankheit, auf Hilfe im Alltag angewiesen sind, ist folgendes Projekt auf Rentner jüngeren Alters ausgelegt.
Die Universität „Jose Marti Perez“ ermöglicht es ihnen noch einmal zu studieren. In einer auf deren Bedürfnisse zugeschnittenen Form. Die Grundidee ist, dass auch sie noch etwas für die Gesellschaft leisten können. Sie können nicht zuletzt, die Erfahrungen ihres Lebens an die jüngere Generation weitergeben. Das Gefühl noch von Nutzen für die Allgemeinheit zu sein, wirkt sich gleichfalls positiv auf den eigenen Gemütszustand aus.
Neben Aktivitäten wie Nähkreisen und Puppenbasteln, beides traditionsreiche Bereiche in der kubanischen Gesellschaft, leisten sie auch historische und politische Arbeit. Sie gründeten die „Grupo de Investigaciones“, eine Forschungsgruppe zur Geschichte der Stadt Sancti Espiritu, welche als vierte von den Spaniern gegründet wurde. Des Weiteren leisteten sie wertvolle Zusammenarbeit zur Befreiung der Cuban Five.
Insbesondere auf Kuba nimmt die ältere Generation eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung sozialistischer Werte ein. Eine Mehrzahl der Menschen, die wir in Sancti Espiritu trafen, haben zum Beispiel im Zuge der Alphabetisierungskampagne 1960 lesen und schreiben gelernt und gelehrt. Sie haben selbst miterlebt, wie die Revolution Kuba zu einem gerechteren Land machte. Viele von ihnen haben selbst mitgekämpft und haben ihre Energie auch im Alter nicht verloren.

Dieser Artikel ist von Anja, hier geht es zu mehr Artikel von ihr.

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