Reparaturkultur

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Ist das kaputt oder kann das weg?

Vor einiger Zeit bin ich aus der Uni ausgezogen. Unter anderem, weil wir dort nicht vernünftig selber kochen konnten. Die Küche unserer neuen Wohnung ist erfreulicherweise sogar mit einer batidora ausgestattet – also einem Mixer, der perfekt für Shakes geeignet ist. Beziehungsweise geeignet wäre. Denn jemand kam auf die Idee, dass es auch möglich wäre, komplette Eisblöcke damit zu zerkleinern – ist es auf Dauer aber nicht. Nach kurzer Inspektion fällen wir das Urteil: Totalschaden, irreparabel.

Bliebe also nur Neukaufen, doch das ist gar nicht so günstig. Neue Elektrogeräte kosten hier mindestens genauso viel wie in Deutschland, tendenziell sogar noch mehr. Für die meisten Kubaner*innen sind sie somit kaum erschwinglich. Somit liegt das Projekt erstmal auf Eis, bis ich einige Tage später an einem Straßenstand vorbeikomme, wo erstaunlicherweise Ersatzteile speziell für batidoras verkauft werden. Jetzt fehlt mir nur noch das passende Werkzeug.

Glücklicherweise gibt es in unserem barrio – dem Stadtviertel marianao – einige Läden mit mehreren kleinen Ständen, an denen man – von Schuhen über Armbanduhren bis hin zu Gasherden – alles Mögliche reparieren lassen kann. Der nächstliegende Laden hat heute anscheinend geschlossen. Ich werde weiter verwiesen und als ich mich dem beschriebenen Gebäude nähere, sagt mir das wohlige Zischen eines Schweißgeräts und der Klang von Metall auf Metall, dass ich an der richtigen Adresse bin.

Der Schlüsselmacher am Eingang verweist mich an einen Stand im hinteren Raum, an dem sich schon eine längere Schlange gebildet hat. Mit kaputten Reiskochern, Ventilatoren und Mixern in der Hand stehen die Menschen an und warten auf die Dienste von Jesús. Nach erfrischend, kurzen zwei Stunden Wartezeit komme ich auch schon an die Reihe. Doch Jesús hat heute leider keine Ersatzteile für mich. Ich soll morgen früh nochmal wiederkommen.

Als ich am nächsten Morgen dort ankomme, ist er jedoch noch nicht da. Während ich auf ihn warte, unterhalte ich mich ein bisschen mit den Handwerkern, die nebenan Gasherde reparieren. Davon gibt es hier gleich drei Stände. Doch obwohl hier alle cuenta propistas sind – also auf eigene Rechnung arbeiten – macht das anscheinend keine Probleme. Es gibt halt drei Stände, weil es viel Bedarf gibt und die Menschen gehen halt zu dem, der gerade nichts zu tun hat. Irgendwann kommt dann auch Jesús. Die Teile hat er heute aber wieder nicht dabei. Stattdessen erklärt er mir, wo ich diese finden kann.

Also mache ich mich auf, die fehlenden Teile zu besorgen. Den einen Stand kenne ich ja schon. Leider finde ich dort allerdings nicht das Passende. Weiter geht es in die feria marianao – eine Markhalle mit einem interessanten Mix aus Kleidung, Kinderspielzeug und Kleinelektronikteilen. Naja – und eigentlich allem anderen auch. Hier werde ich tatsächlich fündig und mache mich stolz mit einem Prachtexemplar von einer Mixerkupplung auf den Rückweg. Jesús macht sich direkt daran, die kaputten Teile auszutauschen.

Er erzählt mir, dass er ursprünglich eine Ausbildung zum Techniker für die Wartung elektrischer Maschinen gemacht und danach in einem staatlichen Industriebetrieb gearbeitet hat. Doch auch seine langjährige Berufserfahrung scheint ihn nicht auf unsere batidora vorbereitet zu haben. Erst nach Zuhilfenahme des Schleifgeräts von einem der Gaskocherexperten, offenbart sich unter dem Rost, dass das alte Teil nicht verschraubt, sondern vernietet ist. Während wir gemeinsam daran herumhantieren, flucht Jesús die ganze Zeit darüber, dass Geräte heute so gebaute werden, dass man sie nicht mehr reparieren könne. Als wir das Ding endlich abbekommen, läuft Jesús durch die ganze Werkstatt und zeigt seinen Kollegen, was das für eine mierda ist.

Hier in Kuba besteht auf Grund der wirtschaftlichen Situation natürlich viel mehr Bedarf danach, technische Geräte zu reparieren – sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Denn häufig ist nicht das Geld vorhanden, um in Neue zu investieren oder die Beschaffung ist auf Grund der US-Wirtschaftsblockade schwierig bis unmöglich. Ab einem gewissen Punkt ist es sicherlich sinnvoll, kaputte Geräte zu ersetzten. Allerdings neigen wir in der „ersten Welt“ immer häufiger zum Wegwerfen und Neukaufen. Zum einen, weil Geräte so gebaut werden, dass Reparaturen nicht vorgesehen sind oder weil uns das Bewusstsein dafür fehlt, dass sie möglich sind. Zum anderen ist der Kauf eines Neugeräts in der Regel auch nur einen Klick entfernt, dazu muss man nicht mal mehr aufstehen.

Dem Einfluss derjenigen, die vom ständigen Neukaufen profitieren, sind wir hier wahrscheinlich so wenig ausgesetzte, wie an kaum einem anderen Ort. Abgesehen von den eingeschränkteren Ressourcen, führt so vermutlich auch die Abwesenheit von Werbung und Konsumglorifizierung dazu, dass es hier viel selbstverständlicher ist, Dinge zu reparieren. Vielleicht würden sich die Menschen auch hier lieber einen neuen Reiskocher nach Hause bestellen, als sich bei Jesús in die Schlange zu stellen. Andererseits wäre das auch viel langweiliger. Ich muss da morgen übrigens nochmal hin, ganz fit ist unsere batidora nämlich immer noch nicht.

Dieser Artikel ist von Max. Hier geht es zu weiteren Artikeln von ihm.

Ein Gedanke zu „Reparaturkultur“

  1. Auch wenn inzwischen in der „ersten Welt“ oft der wirtschaftliche Anreiz für eine Reparatur fehlt, so gibt es da auch noch ökologischen Gedanken. Wir versuchen bei kaputten Geräten zuerst immer selber mal zu schauen, was man da noch machen kann. Danke für den Bericht und Grüße.

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