9 Tage Fidel – Havannas Stadtteil Cerro: Der stille Abschied

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Ich war wohl eine der ersten die es erfahren hat, weil meine Nachbarin Miruel am Freitag um ca. 23.40 hochkam, mich aus dem Schlaf riss und ganz aufgeregt rief, ich solle den Fernseher einschalten. Raul habe verkündet, dass Fidel um 10.29 gestorben sei. Ich schaltete ein, doch es lief nur das angekündigte Programm. Wir waren alle nervös. Inzwischen standen wir zu viert bei mir im Zimmer und fragten uns, ob das wirklich möglich sei.

Miruel erklärte dass mitten im normalen Programm plötzlich Raul Castro auf dem Bildschirm erschien und eine kurze Mitteilung verlas. Sie rief ihre Oma an, die 85 Jahre alt ist, aus Santiago de Cuba stammt und in ihrer Jugend in der Bewegung 26. Julio im Untergrund gegen Batista gekämpft hat sowie immer noch gute Kontakte zu dieser hat. Aber auch Sie wusste nichts.
Wir warten auf die letzte Nachrichtensendung um Mitternacht, aber auch hier erstmal ganz normal die Nachrichten und dann am Ende: ja wirklich Raul mit der Mitteilung über Fidels Tod und dass am nächsten Morgen alles weitere bekannt gegeben wird. Bumm das wars!

Irgendwie konnten wir das gar nicht fassen, obwohl klar, Fidel war 90 Jahre alt und von seiner vor einige Jahren überstandenen Krebserkrankung gekennzeichnet.

Dann ging jeder in seine Wohnung, aber logisch, schlafen konnte ich nicht. Ich schrieb noch eine SMS an Sera, meine Mitbewohnerin, die gerade mit dem Rest aus dem Proyecto Tamara Bunke auf der Isla de la Juventud war, und an andere Freundinnen. Draußen war alles absolut still, nur der Hund nebenan hatte nichts mitbekommen und bellte weiter. Schlafen nein das ging nicht. Und da erinnerte ich mich, dass ich vor vielen vielen Jahren mal mit einem Freund gesprochen hatte: Wenn Fidel stirbt will ich in Cuba sein … und kaum bin ich 2 Monate hier?

Das ging mir nicht mehr aus dem Kopf, also habe ich den Fernseher wieder eingeschaltet und dann kamen schon Dokumentarfilme über Fidel, neue Nachrichten und Kondolenzschreiben aus aller Welt. Die Nachrichtensprecherin – sichtlich durcheinander – hat sich oft versprochen. Ein Film war von Estela Bravo aus den USA, einer Regisseurin, die viele Filme über Cubathemen gemacht hat. Mit vielen Interviews u.a. mit Harry Belafonte, Alice Walker, Angela Davis, Ex-US-Funktionären, Nelson Mandela, Salvador Allende. Dann Berichte über seine Besuche in Chile, Argentinien, Nicaragua, Afrika usw. und auch in den USA, in Harlem und die Begeisterung der Menschen. Ein wunderbarer Film der die ganze Geschichte Cubas, aber vor allem die Bedeutung Fidels für alle fortschrittlichen Menschen auf der Welt aufzeigt.

Heute morgen gab es dann weitere Informationen: es gibt jetzt 9 Tage Staatstrauer. Uruguay hat auch schon einen Tag Staatstrauer angeordnet, auch andere Länder. Am Montag und Dienstag kann man am Platz der Revolution kondolieren und am Dienstagabend gibt es einen Staatsakt am Platz der Revolution, da werden wir natürlich alle hingehen. Am Mittwoch wird seine Urne auf dem Weg der Karawane der Freiheit von 1959 zurück nach Santiago de Cuba gebracht, wo er neben Jose Marti auf dem Friedhof Santa Ifigenia beerdigt werden soll. Eine wunderbare Geste, dass Fidel, der genau am 60. Jahrestag der Abfahrt der Yacht Granma von Mexiko nach Cuba gestorben ist, seinen Weg zurück zur Wiege der Revolution nach Santiago de Cuba findet. Viele sagen hier, dass es eine Ehre für Santiago sei. Ich bin sicher, dass es ein bewegender Abschied wird.
Ich werde das Jahresende in Santiago verbringen und mich natürlich dann noch einmal persönlich am Grab verabschieden.

Heute nacht und auch jetzt herrscht hier absolute Stille, keine Musik, fast niemand auf der Strasse, viel vor dem Radio oder dem Fernsehen und und die meisten scheinen es immer noch nicht glauben zu können..

Ich verabschiede mich von Fidel mit den Worten Bertolt Brechts aus der Kantate zu Lenins Todestag:

„…Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde.
Die noch stärker sind, kämpfen Jahre.
Aber die ganz Starken von Ihnen kämpfen ihr Leben lang.
Letztere sind unverzichtbar.“

Dieser Artikel ist von Linda. Hier geht es zu weiteren Artikeln von ihr.

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