Über das Verhalten von Touristen in Kuba

Was will der Vogel dieses Mal über Havanna wissen? 

Das ist ein Thema, über das ich mich unbedingt mit dir, Havanna, unterhalten möchte. Es ist wahr, dass der Tourismussektor besonders seit 2 Jahren zur Haupteinnahmequelle für dich geworden ist, danach kommen der Export von Dienstleistungen, wie Ärzte-und Bildungskräfte, sowie Exporte von Zigarren, Rum, Nickel, Kupfer und Zement. Gerade deshalb hast du auch ein Tourismusministerium. Klar ist, dass der Tourismussektor Devisen erwirtschaften muss, mit welchen die sozialen Errungenschaften wie Bildung, Medizinwesen, Sport und Kultur gratis als Prinzip des Sozialismus, der seit der Revolution 1959 existiert, aufrechterhalten und ausgebaut werden. Ich sehe wie die Einnahmen des Tourismussektors auch den Transport von hunderttausenden deiner Söhne und Töchter bei dir fast umsonst mit Bussen gewährleistet. Die Einnahmen durch Museen, durch viele Bereiche der Kultur, die durch den Tourismus realisiert werden, sehe ich als ein kubanisches Qualitätsprodukt das gewinnbringend verkauft und somit die oben genannten sozialen Dienstleistungen finanzieren kann.

Klar! Wir können nicht umsonst oder billig unsere Infrastruktur für Touristen anbieten, wir haben Kosten, wir brauchen Devisen, damit wir auf der anderen Seite aus dem Ausland wichtige Produkte für den Industriesektor, das Medizinwesen, das Transportwesen und viele Ersatzteile importieren können. Wir bemühen uns den Touristen ein breites und vielschichtiges Spektrum an Angeboten zu gewährleisten, von Westen nach Osten, von Norden nach Süden. Damit sie verschiedene Regionen kennenlernen, soziale Kontakte mit Menschen, mit der Natur knüpfen, Projekte besuchen und an ihnen teilhaben; Fahrrad- und Motorradtouren werden angeboten, Jugend-, Familien-und politischer Tourismus steigt bei uns immer weiter. Jetzt sag mir, worüber du dich noch mit mir über den Tourismus unterhalten möchtest.

Ja, das sind Nachrichten und Taten, die leider sehr unangenehm und bedauerlich sind, die hier bei dir passieren. Es geht um das Verhalten von Touristen die sich bei dir für kurze oder längere Zeit aufhalten:

–  Es gab mal einen Franzosen, der sich, so wie ich es mitbekommen habe, zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren bei dir ein Zimmer gemietet hat. Es ist nicht lange her, dass es passiert ist. Ich war zufällig mit meinen Leuten in der Wohnung, in der der Franzosen sein Zimmer hatte. Der Vermieter wurde von uns informiert, dass der Franzose junge Frauen in seine Wohnung mitschleppt und dass er jeder von ihnen verspricht, dass er sie mit nach Frankreich nimmt, dafür, dass sie bei ihm waren, wurden sie sogar bezahlt. Tags drauf haben wir den Vermieter gebeten, dass er bitte den Franzosen (den Touristen) aus der Wohnung rausschmeißen soll, ansonsten, sagten wir, würden wir die Wohnung verlassen. Als wir nachmittags zurück in der Wohnung waren, war der alte Mann aus Paris tatsächlich nicht mehr da.

–  Der Junge war ungefähr 27 Jahre alt, aus Hessen. Weißt du wo Hessen bei uns ist? Hessen ist eine Provinz (das Wort Provinz gefällt vielen Deutschen nicht, gerne wird dagegen das Wort Bundesland gehört, aber zu dir Havanna kann ich locker Provinz Hessen sagen, damit du es besser verstehst) im Zentrum von Deutschland. Er war zum ersten Mal zu Besuch bei dir, bevor er zu dir kam hörte er in Deutschland, dass er hier an billige Zigarren herankommen kann, wenn er möchte. Er wurde gewarnt, dass er nie auf dem Schwarzmarkt von Unbekannten Sachen einkaufen sollte und vor allem nicht

Zigarren. Er hat aber getan was er nicht hätte tun müssen. Er wurde in deinem Viertel (Municipio) Centro Havanna in einer Gasse in ein Ruinengebäude hereingelockt, weil er Interesse für Zigarren zeigte. Dort wurde er sehr geschickt übers Ohr gehauen. Er musste für eine Schachtel Zigarren ungefähr 200 CUC (ca. 185 Euro) bezahlen und sollte das Viertel so schnell wie möglich verlassen. Grund für sein Interesse an billigen Zigarren war, dass er gerne nach seiner Rückkehr nach Hessen die Zigarren dort verkauft hätte, um seine Urlaubskosten zu reduzieren. Dies geschah aber nicht, da er kurz nach dem geschickten Überfall und nachdem er dein Viertel Centro Havanna in Richtung Havanna Vieja verlassen hatte, die Zigarrenschachtel in eine Mülltonne schmiss, da er merkte, dass die Zigarren auch mit Bananenblättern gefüllt waren.

–  Schwarz und so billig wohnen wie möglich. Ja, es gibt einige, die bei dir einen Aufenthalt so billig wie möglich suchen und leider die Hauseigentümer unterstützen, die die durch sie gewonnene Geldeinnahme nicht versteuern. Der Vermieter bekommt heimlich von dem Mieter seine Monatsmiete, etwas weniger als die normale Miete, aber dann kann sich der Mieter bei Problemen, so wie Baustellen, ständigem Staub, Wasserknappheit oder unangekündigtem Betreten der Wohnung des Vermieters nicht beschweren, weil er dort schwarz wohnt. Hier wird eine Tat unterstützt, die tatsächlich noch schlimmer als der Schwarzmarkt ist und nach juristischen Regeln, wie du es sicherlich selber weißt, bei dir Betrug genannt wird und eine höhere Strafe mit sich zieht. Diese Tat ist wieder ein Versuch, bei dem der Mieter (Tourist) soviel wie möglich sparen möchte, damit er seine eigenen Interessen für weitere Geldersparnisse in Bewegung bringt und sich vielleicht den nächsten Urlaub finanzieren kann.

–  27 Jahre alt aus Deutschland. Er wurde vor kurzem in seinem Hotelzimmer tot aufgefunden, Grund: Konsum von chemischen und gestreckten Drogen.

–  21 Jahre alt aus Deutschland. Sie hat sich 6 Tage in Havanna aufgehalten und hatte mindestens 5 Jungs in verschiedenen Wohnungen zur Verfügung, ging mit ihnen ins Bett und bezahlte einige von ihnen.

–  Wenn möglich keine Auslandskrankenversicherung abschließen und Geld sparen! Als dem Tourist etwas passierte, hat sich der Tourist bei kubanischen Ärzten und Krankenhäusern behandeln lassen und nach der Behandlung mit der Übergabe eines Geschenkes (Geld oder materielle Geschenke) seine Sonderbehandlung erkauft und bestochen.

–  EinMexikaner, der versuchte minderjährige Mädchen mit Geld in seine Wohnung hereinzulocken. Er wurde von dem Hauseigentümer rausgeschmissen.

–  Ein paar Deutsche, die versuchten, wenn möglich für umsonst in Havanna zu wohnen. Später wurden sie mit verschiedenen Tricks, ohne, dass sie es gemerkt haben, abgezockt.

–  Ein Italiener wurde wegen Drogenkonsums und Frauenkaufs von seiner Vermieterin aus seiner Wohnung rausgeschmissen.

–  29 jährige Bankangestellte aus Deutschland. Sie hatte schön öfter einen Aufenthalt bei dir. Wöchentlich hatte sie viele Besucher gehabt und teilweise hatte sie sogar täglich zwei Jungen in ihrer Wohnung. Die Jungs wurden alle dafür bezahlt.

–  Da gab es den Tourist aus Spanien. In der Nähe von einem Busterminal in einer anderen Provinz, die nicht weit weg von dir ist, warteten einige Kubaner seit vielen Stunden auf eine Maquina (kollektives Taxi), die langsam voll werden sollte, damit sie in deine Richtung losfahren konnte. Der Preis pro Person, egal ob Kubaner oder Touristen, beträgt normalerweise 5 CUC (4,50Euro für 120km). Der erst später kommende spanische Tourist hat jedoch dem Fahrer 70 CUC angeboten und der Fahrer ist mit ihm ohne Kubaner zu dir losgefahren. Diese Aktion hat eine sehr kritische Situation unter den Kubanern dem Touristen gegenüber ausgelöst, nicht zuletzt, weil sie deshalb noch länger auf eine andere Maquina warten mussten. Der Tourist hat mit seiner Tat Verzweiflung unter den wartenden Kubanern ausgelöst.

–  Konsum von Alkohol in übertriebener Weise, auch von manchen deutschen Jugendlichen hat dazu geführt, dass Alkohol konsumierende Touristen öfter überfallen wurden und einigen von ihnen wurde sogar die Wohnung gekündigt und sie mussten neue Zimmer suchen.
Soll ich dir noch mehr über solche Touristen erzählen?
Nein, das sind genug Beispiele, ich weiß natürlich über alles Bescheid, ich kriege alles mit. Ich sehe das alles und meine Söhne und Töchter berichten mir das auch, selbstverständlich. Tatsache ist, dass solches Verhalten von vielen dutzenden Touristen Missstände verursacht und Misstrauen aufbaut. Das spricht sich alles rum. Du weißt wie schnell sich solche Nachrichten in Vierteln, in ganzen Regionen und auf der ganzen Insel verbreiten und das alles hinterlässt Spuren. Wir haben insgesamt positive Resonanz im Tourismusbereich. Viele Millionen, die aus aller Welt hierher zu uns kommen, sind froh, dass sie bei uns zu Besuch waren und sie kommen wieder. Das ist die Wahrheit. Was aber nicht schön ist, ist das Verhalten von asozialer und unkultivierter Lebensweise von manchen Touristen, die sich falsch und unsozial benehmen. Wenn einer Probleme hat oder Probleme macht, ist klar, dass es auch unser Problem ist. Wir müssen die Probleme lösen. Wir mögen keinen Ärger, wir gehen mit unseren Gästen und unseren Touristen fair um und wir wollen, dass sie auch mit uns fair umgehen und keine Korruption, keinen Schwarzmarkt, keine Drogen und kein unsoziales Verhalten an den Tag legen bzw. unterstützen. Wenn Drogen bei uns verboten sind, dann sind sie eben verboten. Es gibt keine Entschuldigung. Geld besitzen, Reichtum präsentieren, aus dem Ausland kommen und uns von dort aus vorschreiben was wir zu tun haben und was wir zu lassen haben kommt hier bei uns nicht gut an. Durch den Tourismus kommt natürlich ein größeres Ungleichgewicht in der kubanischen Bevölkerung auf. Durch Kultur und Verhalten vieler Touristen werden die kubanischen Werte, vor Allem im Sinne der Arbeit für das Gemeinwohl und der Solidarität verletzt. Alle oben genannten Taten und noch viel mehr Beispiele von denen du erzählt hast haben eine Situation verursacht, die manche hier zu dem Gedanken gebracht hat, dass sie jeden Touristen ansprechen können und wenn möglich ein schwarzes Geschäft anbieten. Auch, weil sie ein oder mehrere Male in illegalen Geschäften mit Touristen erfolgreich waren und leider die Touristen dies mit Vergnügen mitgemacht haben. Diese Leute versuchen sich immer wieder darin weitere “Kunden” zu gewinnen! Das tut alles weh und verletzt die Gesellschaft. Wir geben alles damit unsere humanistische Gesellschaft bewahrt wird, wir Fehler entdecken und wir illegale Geschäfte verhindern. Unser moralisches, menschliches, soziales und solidarisches Zusammensein ist uns sehr wichtig und wir begrüßen jeden, der diesen Weg mit uns zusammen geht.
Havanna, darf ich dich umarmen und mich bedanken für die Zeit die du mir zur Verfügung gestellt hast und bereit warst über dieses Thema mit mir zu reden? Danke dir!

“Vor Allem bewahrt euch stets die Fähigkeit, jede Ungerechtigkeit, die irgendwo auf der Welt begangen wird, aufs tiefste zu empfinden. Das ist der schönste Charakterzug eines Revolutionärs.”
– Che Guevara im Abschiedsbrief an seine Kinder 1966

4 Gedanken zu „Über das Verhalten von Touristen in Kuba“

  1. Ich komme seit 1989 jährlich mehrmals nach Kuba, in den letzten Jahren vornehmlich nach Holguin. Die geschilderten Vorkommnisse gibt es auf der ganzen Welt und sind kein kubanisches Phänomen. Ignoriert diese Leute und allen ist damit geholfen. Sie werden nicht wieder nach Kuba reisen. Wenden wir uns den erfreulichen Vorkommnissen zu und die gibt es zuhauf. Venceremos hasta la victoria siempre!

  2. Elfi Padovan, München, Sprecherin Landesarbeitsgemeinschaft Frieden der LINKEN

    Leider bringen manche Touristen all die Verformungen und Charakterlosigkeiten mit, die in unseren Gesellschaften vorkommen.
    Das hat auch mit Kapitalismus und dessen Endstadium zu tun.
    Das Haifischbecken kennt keine Solidarität !
    Bitte haltet an Eueren kubanischen Idealen fest und laßt Euch nicht anstecken von dieser kranken Welt ! Hasta la victoria !
    Ich freue mich sehr auf die nächsten zwei Wochen als Touristin in Cuba
    Elfi Padovan

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