Eines Abends in einem Barrio in Havanna

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Samstagabend in Havanna. Durch Mund zu Mundpropaganda erfuhr ich, dass an jenem Tag ab etwa 18 Uhr Silvio Rodríguez ein Konzert in einer Straße im Stadtteil Centro geben wird. Bis dato habe ich mal ein bis zwei Lieder von ihm gehört, bekannter war mir mehr sein Name und seine Rolle in Cuba.

Silvio Rodriguez wurde 1946 in der Nähe von Havanna geboren und erlernte als Kind das Klavierspielen und begann Gedichte zu schreiben. Im Jahr der nationale Alphabetisierungskampagne (Link zu Julis Artikel) beteiligte er sich bei dem unterrichten der Landbevölkerung. Wenig später lernte er Gitarre spielen, welches heute sein Hauptinstrument ist. Heute ist er einer der bekanntesten cubanischen Liedermacher der Musikrichtung Nueva Trova, die Mitte der 1960iger Jahre hier entstand.

Im Rahmen der seit 2010 bestehende und von ihm initiierte Konzertreihe „Conciertos en los barrios“ (Konzerte in den Stadtteilen), bei denen in benachteiligten Vierteln verschiedenste bekannte Musiker kostenfrei spielen, sah ich ihn nun zum Ersten Mal.
Es wurde einfach eine Bühne U-Förmig in eine Straße im Wohngebiet Centro aufgebaut, eine Lichtanlage mit Scheinwerfern und die Soundanlage aufgestellt- fertig. Direkt vor der Bühne saßen Kinder, ein paar Mütter, der ehemalige Kulturminister Abel Prieto mit seiner Frau und ältere Menschen. Ein Zaun, den jeder hätte überwinden können wenn er gewollt hätte, trennte die Bühne vom Publikum.

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Ich schätze es waren etwa 200 Leute die friedlich und fröhlich mitsangen, klatschten, mit Tablet oder Smartphone Foto-/Videoaufnahmen machten oder auch mal ein Feuerzeug in die Luft hielten. Die Stimmung war zwischen Band und Zuschauern intim und Rodriguez spielte viele Lieder die ihm aus der Menge zugerufen worden waren. Mit Angel und Yoni, zwei Anwohner die hinter mir standen und besonders laut mitsangen, kam ich ins Gespräch und sie erzählten mir, dass sie seit sie denken können Silvio Rodriguez hören und nur per Zufall an dem Konzert vorbeigekommen waren. Sie wohnten nur fünf Blöcke entfernt, aber es gab keine Flyer oder sonstige größere Bekanntmachungen im Barrio. Vielleicht, so vermutete Angel damit nicht allzu viele zu den Konzerten kommen, damit diese nicht ihren Charakter verlieren und es eine Show für den benachteiligten Vorort bleibt. Auch wenn ich mir eine Konzertkarte für Rodriguez für mehrere CUC leisten könnte, bin ich unheimlich froh diese dortige Atmosphäre miterlebt haben zu dürfen.

Während des Konzerts ereignete sich direkt vor der Bühne noch ein Nebenschauspiel. Ein Mann tauchte vor der Bühne auf, setzte sich dort auf einen Plastikstuhl und machte ein paar Fotos von der spielenden Band. Nach und nach murmelten die Menschen um mich herum, liefen in ihre Häuser und brachten diesem Mann verschiedene Dinge wie Bücher, Shirts oder Trikots und baten ihn um ein Autogramm. Auch beobachtete ich, dass ihm ein Trikot geschenkt wurde und das viele ein Foto mit ihm haben wollten. Wer war das nur? Es war Antonio von den Cuban 5. Nachdem ich mit „Disculpa… Hola…“ (Entschuldigung… Hallo) nicht weiterkam, versuchte ich es mit dem typisch-cubanischen Laut um von jemanden beachtet zu werden. Er klingt in etwa wie „SSSSTTT“ und er funktioniert immer- einer von den Männern der Technik reagierte und reichte meine zusammengefalte Reisepasskopie an Antonio weiter. Als der Zettel wieder bei mir ankam las ich:
„Con cinco abrazos fuertes en un barrio habanero de una Cuba libre. Antonio Guerrero“ (Mit fünf festen Umarmungen in einem Stadtteil Havannas aus einem freien Cuba).

Dieser Artikel ist von Mary. Hier geht es zu weiteren Artikeln von ihr.

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