Patriotismus ≠ Patriotismus

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Patria o Muerte – „Vaterland oder Tod“, das offizielle Staatsmotto Kubas (Quelle: Neverendingvoyage)

Wer sich selbst in Deutschland in das linke Spektrum hinzuzählt, gilt normalerweise als Feind jedes Nationalismus und bürgerlichen Patriotismus. Nun stellen sich aber die Frage, wie sich diese Abneigung verklärt-emotionaler Gefühle, die fälschlicherweise mit der Nation in Verbindung gebracht werden, auf sozialistische Länder beziehen lässt, in diesem Fall Cuba. Stolz und Einheit werden hier unübersehbar gepriesen und gefördert – doch sollte man deshalb das Hissen der cubanischen Flagge genauso verurteilen wie das einer Deutschlandfahne?

Historische Wurzeln

Wichtig in diesem Diskurs ist der historische Hintergrund der Ausprägung des Patriotismus beider Nationen. Der Patriotismus hat sich in Deutschland aus einer liberalen Bewegung im frühen 19.Jahrhundert ausgebildet. Seine Ziele hat er sich bei der französischen Revolution abgeschaut und verwirklichte so die Einigung der zersplitterten Fürstentümer des Landes. Er trug durch die Vereinfachung von Handel (Abbau von Zöllen und Handelsbeschrenkungen, einheitliche Währung und Maße) zum Aufbau der kapitalistischen Gesellschaft bei. Der cubanische Patriotismus stammt hingegen aus der Unhabhängingkeitskampf der cubanischen Bourgeoisie gegen die spanische Kolonialmacht.

Die cubanische Gesellschaft, bis ins späte 19.Jahrhundert noch unterteilt in Sklaven, Arbeiter, einer kleinen Schicht des Bürgertum und Adel, hingegen führte zu einer von Anfang an antikolonialen und antiimperialistischen Unabhänigkeitsbewegung. Angeführt von Denkern wie José Marti und Antonio Maceo (mehr dazu lest ihr in dem Artikel von..) wurden alle Teile der Gesellschaft – damit auch der wohl größte Teil, nämlich der, der Sklaven – aufgefordert sich gegen die spanische Besatzung und deren strukturelle Ausbeutung zu wehren. Die heutige cubanische Gesellschaft stützt sich immer noch auf jene historischen Ideen: Obwohl diese natürlich nicht durch die Gründung der Republik 1902 durchgesetzt worden sind (→ mehr dazu erfahrt ihr im Artikel “Cuba Libre ist nicht nur ein Cocktail“ …), konnten sie seit der cubanischen Revolution zum Ausdruck kommen. Jegliche Besatzung imperialistischer Art, wie zuletzt die der USA, wurde im Zuge der Revolution beendet und das Privateigentum an Produktionsmitteln vergesellschaftet.

Patriotismus in Cuba und Europa

Das Wesen des deutschen Patriotismus hingegen hatte nie einen solchen Charakter: Nach der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 war die Zusammenführung der Kleinfürstentümer vollbracht. Auch scheinbar demokratische Elemente wurden eingeführt, um der Arbeiterklasse die Illusion von Mitbestimmung zu geben. Nach dem für Deutschland katastrophalen Ende des ersten Weltkrieges ebbte der Nationalismus nicht ab – er wuchs an, es war geradezu ein “nationaler Schmerz“, dass große Teile des Landes an Polen und Frankreich abgetreten wurden. Am Beispiel der Bundesrepublik, kann man an vielen Stellen aufweisen, wie das Kapital Patriotismus und Volksgefühle in seinem Sinne ausgenutzt hat. Es wurde mehrfach mobilgemacht für den Krieg, ein Krieg der letztlich nicht im Sinne des Volkes, sondern nur zu Gunsten des Kapitals war. Oder später in der Nachkriegszeit, für eine größere/schnellere Produktion, damit “unser“ Bundesrepublik schnell wieder aufgebaut würde.

Aber auch die cubanische Revolution brauchte die Einheit der CubanerInnen: Damit jedoch wurde nicht eine ganze Gesellschaft für die Interessen eines imperialistischen Konfliktes angetrieben, sondern ein Volk gegen den Einfluss einer imperialistischen Macht, die Arbeiterklasse, für eine proletarische Revolution, welche sich dann gegen die wirtschaftliche Ausbeutung der USA zusammenschloss. Eine Revolution ist nur durch die Einheit der Arbeiterklasse zu erreichen – nicht zu verwechseln mit der Einheit eines Volkskörpers. Was unterscheidet nun also einen patriotischem Cubaner von einem patriotischem Deutschen? Beide fühlen sich als Teil eines Volkes; doch beide Gesellschaften sind grundlegend verschieden.Genau eben, wie das Wesen des bürgerlichen und sozialistischen Patriotismus ist grundlegend verschieden sind.

Sozialistischer Patriotismus

Während die cubanischen Arbeiter- und Bauernmassen stolz darauf sein können, zusammen mit an dem Aufbau einer besseren Gesellschaft zu arbeiten, deren Vorfahren gemeinsam gegen die Unterdrückung ihres Volkes gekämpft haben und die weiterhin den Kampf gegen die Imperialisten*innen führt. So zeigt sich der progressive Charakter des sozialistischen Patriotismus in Cuba daran, dass er sich mit Internationalismus verbindet. Nicht zuletzt deshalb, sind derzeit über 50.000 cubanische Ärzte und Krankenpfleger in über 30 verschiedenen Ländern der Welt im Einsatz. Auch aus diesem Grund unterstütze Cuba den gerechten Kampf der Völker Angolas und Äthiopiens gegen das reaktionäre südafrikanische Apartheidssystem.
Was den deutschen Patriot hingegen auszeichnet ist eine Mischung aus emotional-verklärten Ansichten und die Unterstützung eines kapitalistischen Systems, in dem die wirtschaftliche Macht zentralisiert ist und eine Minderheit über die Mehrheit der Bevölkerung herrscht, was allerdings nicht von ihm wahrgenommen wird. Der deutsche Patriot fällt auf Alluren rein, und vereinfacht den ständigen Klassenkampf auf einen Kampf zwischen Staaten.

Er fühlt sich seiner Gemeinschaft verpflichtet – er arbeitet, steht für “europäische“ oder besser noch “deutsche“ Werte ein, pflegt Traditionen und sieht zuletzt den bürgerlichen Staat als eine für ihn nützliche Gemeinschaft. Was das Handeln eines deutschen Patrioten aber im schärfsten vom cubanischen Patrioten unterscheidet, ist sein Handeln in Krisenzeiten. Jede ökonomische Krise – so weiß es jeder Kommunist – ist eine vom Kapital verursachte. Diese materialistische Analyse der Verhältnisse ist auch die, die von Cuba gemacht wird. Für den deutschen Nationalisten spielen die ökonomischen Umstände keine Rolle; in seinem Weltbild werden Schuldige gesucht und gefunden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Migrant*innen, Arbeitslose oder – was auch möglich ist – Kapitalisten (siehe AfD die sich als eurokritische Partei gegründet hat, zur Stützung des deutschen Volkes gegen ausländisches Kapital) sind.
Nun, aus welchem Grund schwenken Linke die kubanische Fahne?
Das Hissen der Flagge zeigt die Solidarität mit einem System, dass sich nicht auf Ausbeutung stützt. Eine Nation ohne imperialistische Interessen wird verteidigt, der sozialistische Aufbau Cubas unterstützt.

Dieser Artikel soll nicht jeden dazu auffordern, die cubanische Fahne zu schwenken – es gibt weit aus mehr Kritik am Nationalismus als nur die Gründe, die ich aufgeführt habe. Doch wer eine Analyse am Nationalismus vornimmt, und nur das Produkt, das “Wir-Gefühl“ kritisiert, sollte mit seiner stumpfen Kritik auch die Einheit einer jeden Arbeiterklasse kritisieren, in der sich genauso unterschiedliche Individuen zusammenschließen, die in diesem Fall nur eines eint, ihre gemeinsame ökonomische Situation in der kapitalistischen Gesellschaft. Der sozialistische Patriotismus unterscheidet sich vom bürgerlichen hingegen dadurch, dass nicht Klassen und Nationen gegeneinander ausgespielt werden, sondern die Solidarität aller Werktätigen der Erde im Mittelpunkt steht.

*Nationalismus impliziert auch immer Patriotismus, aber nicht umgekehrt

Dieser Artikel ist von Laika. Hier geht es zu weiteren Artikeln von ihr.

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