Wie Havanna mich entschleunigt

Folgend beschreibe ich aus meiner Sicht wie und warum das Leben in Havanna mich langsamer leben lässt. Aufgrund vergangener Reisen durch Süd- und Zentralamerika kenne ich zwar den häufig entspannten Umgang mit der Zeit und der Pünktlichkeit, ich muss mich aber immer wieder daran gewöhnen. So erscheint z.B. meine Verabredung erst um beispielsweise 21 Uhr anstatt um die vereinbarte Zeit 19 Uhr. Generell ist in vielen Situationen warten und sich „in Geduld üben“ angesagt. Für mich persönlich oft eine Herausforderung. Zum Beispiel Busse im ÖPNV haben keinen Abfahrtsplan, ich gehe an die Haltestelle und warte einfach bis er kommt. Für eine Hauptstadt mit etwa 2,5 Millionen Einwohnern herrscht vergleichsweise wenig Verkehr, da nicht viele Menschen über ein Auto verfügen oder einfach die sehr viel billigeren Busse nutzen. Es gibt kaum Stau, wenig Smog und kein riskantes „Straße überqueren“, weil es hier keine hitzige Raserei gibt.

Die Busse sind meist (gefühlt immer) mehr als stark frequentiert, da es einfach viel zu wenig Busse gibt. Dennoch herrscht oft eine entspannte Stimmung, oft mit Musik aus den Boxen unterlegt. Viele Menschen reden miteinander, ob sie sich kennen oder nicht. Diese „Just-in-time“ und „Zeit ist Geld“-Mentalität existiert hier bisher noch nicht. Gerade in der ersten Zeit hier in Havanna brauche ich viel Zeit um mich zu orientieren und muss Leute fragen (Google Maps und Internetflat gibt es ja nicht) wo ich was finde. Mir wird entweder ziemlich lang und genau erklärt wie ich dort hingelange oder aber mir wird angeboten mich dorthin zu begleiten. Ich weiß, dass diese Hilfsbereitschaft hier häufig anzutreffen ist und ich habe die Menschen gefragt, warum sie sich jetzt die Zeit dafür nehmen können- sie waren doch selbst auf dem Weg nach irgendwohin. Aber das ist anscheinend kein Problem, denn es wird gerne gemacht, Eile und Hast finde ich hier nur selten. So ergaben sich schon häufig sehr nette Gespräche.
Im Vergleich dazu: in Deutschland wird sich stetig bemüht einen Viererplatz im Zug für sich allein zu ergattern, der Rucksack wird schnell auf den Platz neben sich gelegt und eher ungern wieder für jemand anderes freigemacht. Menschen die sich nicht kennen, reden in der Regel auch nicht miteinander und jeder fummelt irgendwas an seinem Smartphone, liest Zeitung/ Reader oder spricht mit jenen mit denen man unterwegs ist. Ich war dieses Jahr längere Zeit auf Gehstützen unterwegs und habe oft erlebt, dass niemand mir einen Platz zum Sitzen angeboten hat, näheres dazu wird im Artikel „Ungeschriebene Gesetze“ beschrieben. Natürlich gibt es auch viele hilfsbereite Menschen in Deutschland und ich möchte nicht pauschalisieren, dennoch fallen mir die Unterschiede erheblich auf.
Auch das „sich verabreden“ läuft hier anders ab, als ich gewohnt bin. Ein Anruf von Handy auf Handy kostet hier 35/min und eine SMS 18 CUC-Cents (1 CUC ist in etwa 1 Euro). Viele CubanerInnen besitzen auch gar kein Handy, denn das ist teuer und die Anschaffung einer SIM-Karte beträgt allein auch schon 40 CUC. So wird mit Telefonkarten von öffentlichen Telefonen Zuhause angerufen, dies ist mit 5 Moneda-Nacional-Cents (ca. 0,1,4 Eurocent)/min sehr günstig. Es wurden auch diverse Anrufzeichen verabredet, ich bin da noch nicht vollkommen hinter gestiegen, aber oft wird ein- oder zweimal auf dem Handy durch geklingelt und das bedeutet dann 1x ja 2x nein, z.B. als Antwort auf eine zuvor empfangene SMS.
Ich habe das Geld für eine SIM, weiß derzeit aber noch nicht ob ich mir eine Besorge oder nicht. Vielleicht auch mal ein spannendes Projekt für mich, ein Leben ohne mobil immer erreichbar zu sein!?
Ein zustanden kommendes Treffen läuft also nun folgendermaßen ab: Ich rufe, z.B. Julie bei sich zu Hause an und wir verabreden uns für – in etwa – 16 Uhr im Parque Central. Wir beide wissen, dass eine von uns warten wird und wir nehmen uns beide was zu lesen mit. Ich bin es dann, die erst um 16:30 Uhr angehastet kommt. In Deutschland hätte ich mir eine genaue Verbindung im Internet rausgesucht und hätte sie natürlich umgehend informiert, wenn ich es doch nicht pünktlich schaffe. Hier bin ich die Einzige die ungeduldig auf den Bus wartet, die häufig nervös auf ihre Uhr schaut und schließlich in der Mittagssonne zum Treffpunkt eilt. Das ist mir gestern passiert, ich bin in mein gewohntes Verhaltensmuster zurück gefallen, denn eigentlich bemühe ich mich seit ich hier bin, es ruhiger angehen zu lassen. Ich bin ja auch irgendwo dazu gezwungen, denn die Hitze, der ÖPNV, die Gelassenheit und ohne Handy zu Kommunizieren, fordern diese für mich neuen Fähigkeiten. Ich weiß ja, dass es nichts nutzt und mir nur schadet, wenn ich mich aufrege oder nervöse Zustände habe, der Bus kommt halt, wenn er kommt.

Dies ist der erste Artikel von Mary.

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