Bildungssysteme im Vergleich: Cuba, Finnland, Deutschland

Warum der Sozialismus sein Volk allumfassend bildet

Dass das cubanische Bildungssystem eins der besten weltweit ist, ist unstrittig – die Daten und Fakten, die verschiedenste Organisationen, Länder und Universitäten gesammelt haben, sind eindeutig. Egal, ob es um den kostenlosen Zugang zum Bildungssystem, die niedrigste Analphabetenrate der Welt oder den hohen Anteil an Doktortiteln und WissenschaftlerInnen im cubanischen Volk geht. Es ist klar, dass die CubanerInnen eins der gebildeten Völker der Welt sind und das, obwohl sie ebenfalls zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. In meinem Lehramtsstudium war Finnland das Maß der Dinge, aber es wurde immer betont, dass das skandinavische Land ein sehr reiches ist und deswegen die finnischen Erfolgsrezepte nicht so einfach auf andere Länder übertragen werden können. Man stelle sich nur vor, Cuba ständen die finanziellen Mittel Finnlands oder der BRD zur Verfügung. So gesehen, müsste Deutschland viel eher ein soziales Bildungssystem haben als Cuba, da Cuba – ökonomisch gesehen – noch immer in der Liga der Entwicklungsländer spielt. Aber wo hat das finnische Bildungssystem seine Wurzeln und ist es ein Zufall, dass Länder wie die USA und Deutschland so ein schlechtes Bildungsniveau haben, während das sozialistische Cuba alles für die Bildung der Bevölkerung tut?

Bildung für Alle!

In Finnland besuchen viele Kinder die Vorschule, der Staat verpflichtet sich innerhalb von 2 Wochen einen kostenlosen Platz zur Verfügung zu stellen. Ab dem 6. Lebensjahr besuchen alle Kinder die Grundschule und auch noch bis zur 9. Klasse wird gemeinsam in der Ganztagsschule, in der viele Freizeitangebote gemacht werden, gelernt. Erst danach entscheidet sich, wer später studieren, und wer eine Ausbildung absolvieren möchte. In den Schulen gibt es ein kostenloses Mittagessen, die Klassenräume für die durchschnittlich 14 SchülerInnen sind gut ausgestattet und auch für keines der Schulmaterialien muss gezahlt werden. Kinder mit besonderen Schwierigkeiten bekommen speziall ausgebildete LehrerInnen an die Seite gestellt und kostenlosen Nachhilfeunterricht, jedeR 6. SchülerIn nimmt dieses Angebot wahr.

Wer denkt, dass das nur in einem reichen Land wie Finnland möglich ist, der irrt.
Cuba zeigt, dass es auch mit weitaus weniger Ressourcen machbar ist. Obwohl die sozialistische Insel 12,8% ihres BIP (Zum Vergleich: Deutschland 5,1%, Finnland 7,3%) für die Bildung zur Verfügung stellt und damit anteilig mehr als jedes andere Land der Welt, ist der Betrag auf Grund der schwachen Wirtschaft natürlich viel geringer als der Deutschlands (Zum Vergleich: BIP Cuba: 72 Mrd. US$ BIP BRD: 3904 Mrd. US$). Dennoch gibt es auch hier eine gutbesuchte kostenlose Vorschule . Die Grundschule nach dem 6. Schuljahr schließen 100% der Kinder ab,  auch bis zur 9.Klasse wird weiterhin gemeinsam in den durchschnittlich 15-köpfigen Klassen gelernt. Nach dem kostenlosen Mittagessen können die Kinder in der Ganztagsschule unteranderem Schach spielen lernen, die Turn-AG besuchen oder einen Malkurs belegen. Über 1000 Klassen in ländlichen Regionen haben nur 5 Schüler, aber dennoch ist jede Schule mit Multimediagräten ausgestattet und viele verfügen über eine autarke Stromversorgung über Solarpanel. Auch in den Universitäten und Berufsschulen gibt es kostenloses Essen und die Hälfte der Studierenden wohnt sogar kostenlos auf dem Campus, alle Lehrmaterialien stehen gratis zur Verfügung. Kinder mit besonderen Bedürfnissen (körperliche oder geistige Beeinträchtigungen) werden speziell gefördert und wenn möglich nicht auf Sonderschulen geschickt. Wenn dies doch nötig ist, werden sie dort auf ein Leben in der Gesellschaft und nicht abseits von ihr vorbereitet. Aber das Lernen hört in Cuba nicht nach der Ausbildung oder dem Studium auf, denn an jeder Universität werden zahlreiche Kurse für Erwachsene angeboten. Viele CubanerInnen studieren neben ihrem Beruf am Wochenende und Abends, machen Fernkurse oder nutzen die zahlreichen Angebote der Weiterbildung, bei der sie weiterhin ihren Lohn erhalten, aber zeitweise nicht mehr ihren Beruf ausüben.

In Deutschland werden Kinder nach der 4. Klasse selektiert und auf 4 unterschiedliche Schulformen geschickt, die ihren weiteren Lebensweg in Stein meißeln.  Die Schulen leiden an einer chronischen Unterfinanzierung und Unterbesetzung. Als Konsequenz werden Schulen in ländlichen Gegenden geschlossen und die Klassen immer größer. Ein kostenloses Mittagessen gibt es in den Schulen schon lange nicht mehr und kulturelle Freizeitangebote werden immer rarer. Kinder mit Beeinträchtigungen oder Lernschwächen bleiben auf der Strecke, wenn die Eltern nicht genügend Geld für Nachhilfeunterricht oder eine Privatschule aufbringen können. An den Universitäten ist die Situation nicht besser, oftmals sitzen mehrere hundert StudentInnen in den zu kleinen und maroden Vorlesungssälen  und die teure Fachliteratur kann man sich sowieso nur leisten, wenn man nebenbei arbeiten geht oder Mami und Papa einen dicken Geldbeutel haben.

Sozialismus vs. Kapitalismus

Um zu klären, wie diese fundamentalen Unterschiede zustande kommen, muss man verstehen, wo die Wurzeln der Bildungssysteme liegen und zu welchem Zweck die Menschen gebildet werden. In Deutschland war lange Zeit die Bildung ausschließlich der herrschenden Klasse vorbehalten. Lesen und Schreiben konnten über Jahrhunderte nur die Söhne der Feudalherren, krichliche Funktionäre und der Adel.  Eine grundlegende Bildung für alle wurde hart erkämpft, dient allerdings immer noch dem Interesse der herrschenden Klasse. So sollen alle auf ihre spätere Rolle in der Gesellschaft vorbereitet werden. Einem kleinen Teil wird eine allumfassende Bildung in privaten Schulen und Universitäten ermöglicht, um sie zu Führungskräften auszubilden. Der Großteil der Bevölkerung wird zum mehrwertschaffenden Lohnarbeiter* oder zum lohndrückenden Arbeitslosen*2 „ausgebildet“.

Dazu ist es notwendig frühzeitig auszusortieren, da man in die zukünftigen Arbeitslosen ja so wenig Geld wie möglich investieren möchte. Für spätere LohnarbeiterInnen kann schon ein wenig mehr ausgegeben werden, aber dennoch wird darauf geachtet, dass sie nur die notwendigste Bildung bekommen und so wenig Geld wie möglich für sie ausgeben wird. Das zeigt sich in Schmalspurausbildungen mit ausbildungsfernen Tätigkeiten (Kaffeekochen und die Straße kehren), ohne spezielle Lehrwerkstädten und geringer Auszubildenvergütung. Es ist für den Kapitalismus nicht notwendig, dass der einfache Arbeiter oder die einfache Arbeiterin den Arbeitsprozess vollständig versteht, da er eh nicht darüber entscheiden soll, was und wie produziert wird. Schon in den Schulen werden sie zu Obrigkeitshörigkeit  erzogen, ihre Meinungen oder Interessen zählen kaum. Für die angehenden Führungskräfte der deutschen Wirtschaft und Politik werden natürlich keine Mühen und Mittel gescheut. Verschiedene Unternehmen und der Staat ziehen sich ihre neuen ManagerInnen und Bosse durch Stipendien heran. Auch für das „demokratische“ System ist eine allumfassende Bildung unerwünscht, denn um alle 5 Jahre ein Kreuz zu machen, reicht die Bildung aus und eine weitere Teilhabe ist nicht gewollt. Wenn die Menschen die Mittel in die Hand bekämen, um unsere Gesellschaftsformation vollends zu verstehen, dann wäre dies für die Profitinteressen doch sehr gefährlich, da sie dann auch die Mittel zur Beseitigung unserer Ausbeutergesellschaft* in den Händen hielten.

In Cuba gilt seit der Revolution 1959 José Martís Prinzip „Nur ein gebildetes Volk ist ein freies Volk“. Die sozialistische Gesellschaft und Wirtschaft lebt und entwickelt sich durch das Wissen des ganzen Volkes, auch ein Heer von ungebildeten Arbeitslosen ist nicht notwendig. Also muss kein Kind aussortiert werden und es existiert ein Interesse alle Menschen  umfassend zu bilden. Dazu werden sie von kleinauf polytechnisch unterrichtet, das meint, dass sie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch gebildet werden. Das ist auch zwingend notwendig, da sie in der Lage sein sollen, ökonomische und politische Prozesse zu verstehen, um aktiv an der Entwicklung der gesamten Gesellschaft teilhaben zu können. Die späteren ArbeiterInnen sollen nicht nur einzelne Arbeitsschritte in ihrem Betrieb verstehen, sondern den kompletten Produktionsprozess, da sie selbst entscheiden was und wie sie produzieren wird. Sie sind die Triebkraft der Entwicklung. Dementsprechend haben cubanische Kinder schon von Kleinauf die Möglichkeit, sich Betriebe und die landwirtschaftliche Produktion anzusehen, später absolvieren sie Praktika in Fabriken und bauen selbst, als Teil ihres Unterrichts, Gemüse und Obst an. All das ist auch noch im Studium ein fester Bestandteil und so werden die Menschen hier sehr praxisnahe gebildet. Cherry, eine befreundete Architekturstudentin, arbeitet zum Beispiel gerade an einem Gruppenprojekt. Gemeinsam mit den AnwohnerInnen eines Bezirks beraten die TeilnehmerInnen mögliche Bauprojekte und beziehen so diejenigen mit ein, die letztendlich von den Baumaßnahmen betroffen werden sein. Aber auch die Gesellschaftswissenschaften spielen in jedem Alter und jedem Bildungszweig eine wichtige Rolle. So haben auch ChemiestudentInnen Kurse zur Geschichte, Ökonomie und Philosophie. Die allumfassende Bildung eines jeden Einzelnen ist essentiell für den Sozialismus, da alle an der seiner politischen und ökonomischen Weiterentwicklung teilhaben.
Aber wieso hat nun auch Finnland ein dem cubanischen gar nicht so unähnliches Bildungssystem? Vergleicht man das finnische mit dem der DDR, dann wird man schnell noch mehr Parallelen finden, denn bei der Konzipierung des Bildungssystems in Finnland spielten alte DDR-Konzepte und PädagogInnen eine wesentliche Rolle. Dies wird jedoch oft verschwiegen und bei den großartigen PISA-Ergebnissen fragt sich niemand, wo die finnischen Erfolgsrezepte eigentlich her kommen, da man sich dann die Überlegenheit der sozialistischen Bildung eingestehen müsste. Eine starke und gewerkschaftlich organisierte Arbeiterklasse  kann dem Kapitalismus soziale Errungenschaften abverlangen, die er dann so schnell nicht wieder abschaffen kann. Dennoch birgt die Anwendung des sozialistischen Bildungsmodells im Kapitalismus einige Gefahren. Ganztagsschulen und -kindergärten werden dazu genutzt, die Eltern frühstmöglich wieder voll in den Produktionsprozess einzugliedern und so schaffen es die Unternehmen noch mehr Gewinne zu erwirtschaften, auch dem Problem der Geburtenrückgänge will Finnland so entgegenwirken. Durch die breite Palette an sozialen Leistungen fühlen die ArbeiterInnen sich nicht ausgebeutet und sind auch bereit, mehr und intensiver zu arbeiten. Es gibt in Finnland die Möglichkeit Kinder auch über Nacht im Kindergarten zu lassen, wenn man mal Überstunden oder eine Nachtschicht einlegen muss. Der Kapitalismus nutzt eben auch die sozialistischen Errungenschaften um Profit zu schlagen und nicht aus humanistischen Gründen.

Dieser Artikel ist von Tobi, hier geht es zu mehr von ihm.

* Die Menschen sind seit dem Übergang der Feudalgesellschaft zum Kapitalismus im doppelten Sinne frei. Sie besitzen keine Produktionsmittel (Maschinen, Fabriken, Rohstoffen), sind also frei davon und sind frei ihre eigene Arbeitskraft auf dem Markt als Ware anzubieten. Die Unternehmen kaufen die Arbeitskraft also in Form des Lohns. Durch seine Arbeit entsteht aber nicht nur der Wert  seines Lohnes, sondern einiges mehr. Das was der Arbeitende über den Wert seines eigenen Lohns hinaus produziert, den Mehrwert, eignet sich das Unternehmen an, . Wenn man Ausbeutung als die Tat definiert, in der sich jemand ohne adäquate Gegenleistung etwas von jemand anderem nimmt, dann werden alle LohnarbeiterInnen ausgebeutet.
*2 Marx redet von der Notwendigkeit der Masse der Arbeitslosen im Kapitalismus. Nach seiner Theorie, dient die Arbeitslosigkeit im Kapitalismus unter anderem dazu, den LohnarbeiterInnen mit der Arbeitslosigkeit zu drohen. Dadurch können Arbeitsbedingungen verschlechtert und Löhne gedrückt werden.

7 Gedanken zu „Bildungssysteme im Vergleich: Cuba, Finnland, Deutschland“

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  7. Hat dies auf Was war die DDR ? rebloggt und kommentierte:
    Hier geht´s zwar nicht um die DDR. Aber dieser Beitrag ist wichtig. Es geht um´s Bildungssystem. Und wenn man sich mit dem finnischen Bildungssystem befasst, kommt man wieder zur DDR. Das finnische Bildungssystem hat seine Wurzeln in der DDR.

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