Alarmstufe Rot

USA bedrohen mit Venezuela auch Cuba und den sozialen Fortschritt in Lateinamerika

Cubanische Solidarität in Zeiten der Krise

Gelebte Solidarität mit Venezuela: Konzerte, politische Veranstaltungen, tagtägliche Berichterstattung – und jetzt ist auch noch unser Freund und Philosophielehrer weg. Wie viele andere, gut ausgebildete cubanische Fachkräfte und politische Akteure ist er seit einigen Wochen in Venezuela. Dort hilft er, Seite an Seite mit dem venezolanischen Volk für die sozialen Errungenschaften einzustehen und sich den Destabilisierungsversuchen entgegen zu stellen. Den aus dem Ausland bezahlten Aggressoren und ihrer Propaganda muss auch weltanschaulich etwas entgegengesetzt werden.
Wie auch die cubanische Revolution seit ihren Anfangstagen verteidigt werden musste, heißt es nun den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in Venezuela zu verteidigen. Welcher 1998 mit dem Politikwechsel, angeführt von Hugo Chavez Frias, begann und in den letzten Jahren, wie durch den Putschversuch 2002, immer wieder torpediert wurde.

Frischer Wind in Venezuela

Die gesellschaftliche Veränderung manifestierte sich in der 1999 neu ausgearbeiteten Verfassung, die nicht nur den breiten Volksmassen umfassende demokratische Beteiligungsmöglichkeiten einräumte, sondern auch gleiche Rechte für jeden deklarierte und Volksgruppen annerkannte, die bisher ausgegrenzt waren. In Folge der neuen Verfassung, die von der Großen Mehrheit (71%) angenommen wurde, begann ein Prozess der insbesondere von Sozialprogrammen geprägt war. Diese holten Millionen Menschen aus der Armut und garantierten ihnen ein lebenswertes Leben. In den folgenden 17 Jahren wurden Teile der Wirtschaft vergesellschaftet, unter anderem um die Sozialpogramme zu finanzieren, die Reichtümer des Landes der Bevölkerung zukommen zu lassen und eine alternative wirtschaftliche Entwicklung zum Kapitalismus einzuleiten. Seit 1998 wurde der Prozess zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts in diversen Plebisziten und Wahlen bestätigt und von sozialen Bewegungen getragen. So gewannen die Chavisten beispielsweise jede Präsidentschaftswahl seit 1998.

Aktuelle Lage

Wieder einmal muss sozialer Fortschritt gegen die Aggressionen der Regierung der USA und rechter inländischer Opposition verteidigt werden. Häufig stehen in diesen Tagen in Havanna Solidaritätsveranstaltungen oder Solidaritäts-Konzerte für Venezuela auf dem Programm. Wie auch im ICAP (Cubanisches Institut für Völkerfreundschaft) wo wir an einer Veranstaltung mit dem Botschafter der Bolivarischen Republik Venezuela teilnahmen. Vom ICAP aus wird auch der Austausch koordiniert, der mit gegenseitigen Besuchen von revolutionären Gruppen durchgeführt wird. Auch in Cuba studierende Venezolaner, die wir persönlich treffen, bekunden in diesen Tagen ihre Besorgnis, spüren aber auch ein Gefühl tiefer Verbundenheit mit dem cubanischen Volk auf Grund von dessen Solidarität.
Seit Monaten wurde in Venezuela beispielsweise durch Gewalt auf den Straßen und zurückgehaltene Lebensmittel versucht die wirtschaftliche und somit die politische Situation zu destabilisieren. Die Ereignisse in diesem Kontext kulminieren in einer himmelschreienden Lüge, als US-Präsident Obama am 09. März 2015 Venezuela als „Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA`“ bezeichnet. Im Zuge dessen erließ er ein Dekret, die sogenannte „executive order“, die Ihm als Präsident die Vollmacht gibt auch ohne Zustimmung des Kongresses Sanktionen gegen Venezuela zu verhängen. Die Truppen Venezuelas haben zum letzten Mal im 19. Jahrhundert unter Simón Bolívar an der Seite von Kolumbien, Peru, Ecuador und Bolivien für die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Spanien gekämpft. In der Bilanz der Außenpolitik der Vereinigten Staaten steht auch im 20. Jahrhundert eine Vielzahl von Interventionen in Lateinamerika. In dem sogenannten Hinterhof der USA, haben sie vor allem durch Putsche und Geheimdienstaktivitäten in verschiedensten Ländern mit ihnen zusammen arbeitende Diktaturen an die Macht befördert, die ihre Völker unterdrückt haben. Venezuela pflegt im Gegensatz zu den USA eine friedliche Außenpolitik und würde selbst wenn es könnte einen souveränen Staat wie die USA nicht bedrohen.
Man kann sich auch ohne von Alí Rodriguez Araque, dem Botschafter Venezuelas in Cuba, darauf hingewiesen zu werden, leicht erklären, warum die Regierung der USA mittels erfundenem Bedrohungsszenario trotzdem versucht eine militärische Intervention in Venezuela ideologisch vorzubereiten. Venezuela besitzt die größten Erdölreserven der Welt. Außerdem liegt es an einer geographisch-strategisch wichtigen Position an der Nordküste Südamerikas. Ich fühle mich unweigerlich an die Interventionen des US-Militärs in den zwei ölreichen Ländern, Irak (2003) und Lybien (2011), erinnert – um nur zwei der letzten US-Interventionen zu nennen, die gebrochene Länder und katastrophale Zustände für die heimische Bevölkerung zurückließen. Venezuela und Cuba stehen jedoch weltweit nicht alleine da. Insbesondere von den anderen lateinamerikanischen Ländern erfahren sie breite Unterstützung.

Schulterschluss – Venezuela und Cuba im Zusammenhang der ALBA

In den letzten zwei Jahrzehnten ging ein Linksruck durch Lateinamerika . Dieser schlug sich in der Wahl von linken bis proklamiert sozialistischen Regierungen und der Vergesellschaftung natürlicher Ressourcen (z.B. in Bolivien, Ecuador, Venezuela) nieder. „Die Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América (ALBA)“ ist ein Bündnis von 12 lateinamerikanischen Staaten, allen voran Cuba, Venezuela, Bolivien und Ecuador, welches 2004 in Havanna von Hugo Chavez und Fidel Castro gegründet wurde. Das Bündnis ALBA, was übersetzt „Morgenröte“ bedeutet, steht symbolisch für einen Neuanfang in Unabhängigkeit und Souveränität des in seiner Kolonialgeschichte so stark ausgebeuteten – an natürlichen Ressourcen so reichen – Lateinamerikas. Praktisch heißt die Solidarität innerhalb dieses Bündnisses zum Beispiel Hilfe in Form von ärztlicher Behandlung in der „Misión Milagro“ in der cubanische Ärzte gratis -aber nicht kostenlos- tausenden Lateinamerikanern das Augenlicht wiedergegeben haben. Venezuela gibt Erdöl, oder verkauft es unter Weltmarktpreis an die Bündnispartner. Somit ist es für Cuba und die ALBA-Mitglieder wirtschaftlich von vitalem Interesse, dass die Ressourcen dort unter gesellschaftlicher Kontrolle bleiben und somit das soziale Projekt in Lateinamerika weiter voranschreiten kann.
Boliviens Präsident Evo Morales hat auch außerhalb des ALBA-Bündnisses „angesichts der Aggression von Präsident Obama“ Dringlichkeitssitzungen der Regionalbündnisse Unasur (Vereinigung der Nationen Südamerikas) und Celac (Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten) zur Verteidigung Venezuelas gefordert. Morales wies darauf hin, dass die USA im Grunde mit einer Invasion drohen. Er konstatiert: „Im 21. Jahrhundert verurteilen wir diese Art von Intervention durch die USA, weisen sie zurück und akzeptieren sie nicht.“ Weiter fordert er eine Rücknahme und Entschuldigung seitens der USA und plädiert für eine öffentliche Debatte des Themas auf dem Treffen amerikanischer Staaten in Panama in der kommenden Woche. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega beklagte die „unbestreitbare Kontinuität der kolonialistischen Politik des nordamerikanischen Imperiums“. Ecuadors Präsident Raffael Correa fühlte sich „an die dunkelsten Stunden unseres Amerika erinnert“.

Ausblick – Showdown in Panama?!

Trotzdem die cubanische Regierung seit dem 17. Dezember 2014, zum ersten Mal nach rund 50 Jahren, im diplomatischen Dialog mit Washington steht, erklärt sie öffentlich ihre bedingungslose Unterstützung gegenüber der demokratisch gewählten und legitimen Regierung Venezuelas. Niemand habe das Recht, „in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einzugreifen und ihn, ohne irgendeine Grundlage, zur Bedrohung der nationalen Sicherheit zu erklären“. Jedoch „Wie Kuba nie allein war, wird Venezuela es auch nicht sein“, so die Regierungserklärung. Somit bezieht Cuba klar Stellung und nimmt in Kauf den weiteren Dialog mit Washington zu gefährden.
Alle warten nun gespannt auf das VII. Gipfeltreffen der amerikanischem Staaten (OAS) am 10. und 11. April in Panama. Wir werden gespannt beobachten wie sich die Präsidenten, allen voran Obama, Raúl und Maduro dort verhalten werden, die sich dort ja unausweichlich persönlich begegnen werden. Es ist das erste Treffen seit dem Sieg der Revolution, an dem Cuba teilnehmen darf. Auf Grund des Drucks sich für Cuba aussprechender Staaten konnte die Teilnahme seitens der USA nicht mehr verweigert werden.
Vor kurzem traf in Cuba eine Gruppe venezolanischer Aktivisten auf Fidel Castro. Bei dem herzlichen Austausch, über den die Granma am 03.04.2015 berichtete, sagte Fidel Castro bei den aktuellen Geschenissen stehe „das Gleichgewicht der Welt auf dem Spiel.“ Die Devise heiße nun weiter Unterschriften gegen das verleugnende Dekret („executive order“) zu sammeln, was hier in Cuba in den Betrieben, Universitäten auch massenhaft getan wird, um diese beim Gipfeltreffen der amerikanischen Staaten am Wochenende zu übergeben. Bei uns an der CUJAE in Havanna sind bis heute 3.500 Unterschiften gesammelt worden, international sollen es 10 Millionen werden. In Deutschland können Unterschriften gegen das Dekret bei den venezolanischen Außenvertretungen (Boschaft, Konsulate) gezeichnet werden.

Dieser Artikel ist von Karl verfasst wurden. Hier geht es zu weiteren Artikeln von Karl.

Quellen:

Tageszeitung Granma, 01.04.2015, 03.04.2015, 14.03.2015

Juventud Rebelde, 22.03.2015

Amerika21.de, 11.03.2015 USA / Venezuela / Politik

Präsident Maduro: Obamas Dekret gegen Venezuela „fataler Fehler“
Qualifizierung Venezuelas als „Bedrohung der Sicherheit“ der USA ruft international Ablehnung und Bestürzung hervor.

Marta Andujo, Vilma Guzmán

3 Gedanken zu „Alarmstufe Rot“

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  2. Pingback: Steht Cuba vor dem Ausverkauf? Teil 2 | Eine Andere Welt ist möglich

  3. Ich habe hier die folgende Umfrage gefunden, die auf Cuba durchgeführt worden sein soll:

    http://www.nzz.ch/international/amerika/obama-ist-in-kuba-populaerer-als-castro-1.18519625

    Ich hatte bisher gedacht, dass die Cubaner besser über die Führungsfiguren und das politische und wirtschaftliche System denken.
    Da stellt sich aber noch die Frage, wie glaubwürdig die Umfrage ist. Sie aber als Fälschung (d.h. ausgedacht Zahlen) hinzustellen, wäre irgendwie zu einfach.
    Die Methode, die Fragen so zu stellen, um gewünschte Antworten zu erhalten, kennt man ja hier in Deutschland. Aber das Ergebnis ist schon ziemlich krass. Ich kenne nicht die gesamte Trickkiste von Umfrage-Instituten, deswegen kann ich das nicht so sehr beurteilen.
    Aber das bringt mich schon etwas ins Zweifeln, da Cuba für mich als Lichtblick galt und nun sowas kommt.

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