Konsumverhalten im Kommunismus

Wie sich die Einkaufsmöglichkeiten er Cubaner von denen der Deutschen unterscheiden

Deutschland: Ins Gespräch mit meiner Freundin vertieft, schlängle ich mich durch die Massen, die an einem Mittwochnachmittag das Einkaufszentrum bevölkern. Die Menschen huschen von Geschäft zu Geschäft, auf der Suche nach einer neuen Eroberung, die in ihren vollen Kleiderschränken noch fehlt, nach dem ultimativen Schnäppchen oder dem neusten Produkt auf dem Markt. Kaum jemandem fallen all die Werbeplakate, Blinklichter und Lautsprecherdurchsagen bzw. zum Kauf anregende Musik auf, die diese Gegenstände anpreisen. Auch ich nehme nichts von all dem wirklich wahr. Mein Gehirn hat längst gelernt alles auszublenden, was im Augenblick nicht elementar erscheint. Nur dem Unterbewusstsein werden dann diese riesigen Brocken an Informationsmaterial vorgeworfen. Wie praktisch, dass hier gleich eine Drogerie ist, schnell schlüpfe ich in das Geschäft und kaufe neues Shampoo. Da ich beim Kauf von 2 Flaschen einen Rabatt erhalte, nehme ich sie alle beide und schwuppdiwupp bin ich wieder draußen. Ohne das Gespräch unterbrochen zu haben, kaufen wir noch ein neues Paar Kopfhörer, einen College Block, eine fransige Jeansweste und probieren verschiedene Paare Schuhe an, gegen die wir uns dann allerdings entscheiden. Stattdessen schauen wir bei einer Eisdiele vorbei und bummeln daraufhin gemütlich mit einer Schokowaffel zur S-Bahn. Der Hülle und Fülle sind keine Grenzen gesetzt. Auf engstem Raum kann man verschiedenste Waren kaufen. Die Vielfalt ist erschlagend.

Cuba: Eigentlich hatte ich mich auf den Weg nach Marianao, einem Vorort von Havanna gemacht, um Joghurt zu kaufen. Doch ich laufe von einer Cafeteria zur nächsten – die kleinen Essensbuden, die neben Pizza und Fruchtsäften auch mal ein Glas Trinkjoghurt anbieten – aber es ist wie verhext. Keiner hat Joghurt. Plötzlich steigt mir ein Geruch in die Nase. Ein schon lang vergessen zu scheinender Duft nach frischen Mandarinen. Schnuppernd folge ich einer Straßenbiegung und entdecke auf den Stufen, die zu einem kleinen Häuschen führen, eine Frau, die auf einer Folie das Obst ausgebreitet hat. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen und ich kaufe gleich 10 dieser leckeren Früchte. Obwohl ich heute keinen Joghurt gefunden habe, fahre ich glücklich nach Hause, denn ich habe Mandarinen. Wie eine cubanische Freundin einmal so treffend sagte: „Man muss dann zuschlagen, wenn man ein Produkt entdeckt und nicht erst anfangen danach zu suchen, wenn man es haben will.“ Und wieder einmal hat sich diese Aussage bestätigt. Wichtig ist also – und das musste ich hier erst lernen – dass man am besten sofort zugreift. Denn nur, weil ich heute in einem Laden etwas gefunden habe, heißt das noch lange nicht, dass ich die gleiche Ware morgen immer noch am selben Ort erwerben kann. Oft sind „Shoppingtrips“ eine zeitaufwändige Angelegenheit, da es nur wenige zentrierte Einkaufszentren gibt, die dann im Vergleich auch häufig sehr teuer sind. Verwundert war ich auch von den großen Preisunterschieden. So kosten z.B. Grundnahrungsmittel, von denen die Cubaner einen gewissen Teil stark vergünstigt durch die Lebensmittelhefte Libretas erhalten können, extrem wenig, während Luxusartikel teilweise sogar den deutschen Preis hinter sich lassen. Hier wird der Zwiespalt der cubanischen Regierung deutlich. Einerseits möchte sie eine extrem günstige Grundversorgung gewährleisten können, die sich die Bevölkerung leisten kann, andererseits stoßen sie beim Import immer wieder auf ihren begrenzten Haushalt. Daher können Luxusartikel bzw. Importgüter nur sehr teuer verkauft werden, um über diesen Zweig zumindest einen kleinen Teil der Haushaltskasse wieder zu füllen. Ein daraus resultierendes Problem sind die gesellschaftlichen Unterschiede, mit denen der Staat zu kämpfen hat. Denn nicht jeder hat die dafür benötigten CUC (Link Sophies Artikel), die oft nur durch Freunde oder Familienmitglieder aus dem Ausland ihren Weg nach Cuba finden. Der CUC ist die zweite Währung, deren Wert im Verhältnis 1:25 zur nationalen Einheit Peso und 1:1 zum US Dollar steht.

Außerdem sind viele Läden nicht auf den ersten Blick auszumachen, da sie selten beschildert sind. Man muss viel herum laufen und immer seine Augen offen halten, damit einem kein Geschäft entgeht. Doch nicht nur die fehlende Beschilderung ist auffällig. Sehr schnell bemerkt man, dass jegliche Werbung, die das Kaufverhalten anregen soll, gar nicht vorhanden ist. Das liegt im Wesentlichen daran, dass bis auf kleine private Gewerbe die ganze Ökonomie verstaatlicht ist und es somit keine konkurrierenden Betriebe gibt, die für ihre Produkte Werbung machen. In Cuba wird auf, aus, von, über, unter oder neben jedem nur vorstellbaren Ort verkauft. So wird ein Wohnzimmerfenster umfunktioniert in einen Tresen, Fahrräder oder Handkarren zu beweglichen Geschäften und Schaufenstern und selbst ein Eimer sowie eine laute Stimme sind genug, um sich zu einem Händler zu erklären. Aufgrund des Mangels an neuen (oft importierten) Produkten verdienen sich viele auch ausschließlich mit der Reparatur alter Gegenstände ihr Brot. In Deutschland eine fast unvorstellbare Beschäftigung. Wer auf der Suche nach einem Geschäft ist, welches Produkte repariert, wird nicht nur einen schiefen Blick ernten, er wird auch ganz einfach nur selten fündig. In vielen Bereichen sind Ersatzteile rar und die Reparatur oft teurer als die Anschaffung eines neuen Produktes. Auch sind die Waren oft so konzipiert, dass sie gar nicht mehr lange haltbar sein sollen, um eine anhaltende Nachfrage aufrechtzuerhalten.

Wenn man an die vielen überquellenden Regale und verschiedenen Marken für die gleichen Produkte – manchmal sogar in derselben Fabrik produziert – in europäischen Geschäften denkt, mag die Vorstellung in Cuba einkaufen zu gehen nun wohl zum Albtraum geworden sein. Doch halt! Eine ganz wichtige Sache wurde hierbei vergessen. Man selbst verändert sich in der Karibik nämlich auch, wird gelassener, nimmt was man kriegen kann und ist viel flexibler. Trotzdem darf natürlich nicht verschleiert werden, dass es Momente gibt, in denen die geringe Auswahl bzw. das schmale Angebot haarsträubend ist. Das führt dazu, dass die Waren oft einen anderen Stellenwert erhalten. Sie werden gehegt und gepflegt, um solange wie möglich von ihnen zu profitieren. Denn wenn es wenig gibt, muss man erfinderisch sein, um die fehlenden Produkte zu ersetzen. Doch woran liegt es, dass nur so eine begrenzte Auswahl zur Verfügung steht? Eine Antwort ist das Wirtschaftsembargo der USA. Durch diese Blockade  wird Cuba der Zugriff zu vielen Gütern auf dem Weltmarkt verwehrt und anderen Nationen durch immense Sanktionen das Interesse auf einen florierenden Handel mit der kleinen Insel. Deshalb muss die cubanische Regierung jedes Jahr riesige Summen für Produkte ausgeben, die andere Länder für ein Drittel oder sogar die Hälfte erhalten. Dass dadurch Gelder an anderen Stellen fehlen oder aber weniger importiert und mehr exportiert werden muss, ist eine Rechnung, die jeder nachvollziehen kann.

Ein weiterer Punkt, der mich von Anfang an sehr erstaunt hat, sind die Öffnungszeiten. So kann es passieren, dass man auf dem Rückweg von einer Party mitten in der Nacht einen geöffneten Bäcker findet, aber auch, dass man um 15.00 Uhr schon vor der verschlossenen Tür eines Kiosks steht. Ein Grund hierfür könnten die Wirtschaftsaktualisierungen sein. Denn mit der Möglichkeit sich selbstständig zu machen, haben auch viele kleine, private Gewerbe neueröffnet. Diese machen sich häufig nicht von Uhrzeiten abhängig, sondern von Einnahmen. Das heißt, dass sie schließen, wenn der Besitzer der Meinung ist, dass die Kasse für den entsprechenden Tag genügend gefüllt wurde und nicht mehr von Fremdvorgaben, wie festen Öffnungszeiten, abhängig sind.

Wieder zurück in meinem Apartamento setze ich mich mit dem Resultat meines Ausflugs in die untergehende Sonne. Dieser hat zwar mal wieder einen halben Tag rumlaufen, suchen und durchfragen bedeutet, aber auch einen halben Tag entdecken, staunen und – nicht zuletzt 10 köstliche Mandarinen. Und diese werde ich jetzt erst einmal genüsslich verspeisen!

Dieser Artikel ist von Lotta, wenn du mehr von ihr lesen willst, dann klicke hier.

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