Obama ist ehrlich: er möchte Cuba kontrollieren

Über die Bedeutung der Reden von Barack Obama und Raúl Castro am 17. Dezember 2014

Was für ein Tag! Noch kann keiner von uns wirklich glauben, was wir gestern erleben durften. Eben saßen wir noch verschlafen mit einer Tasse Kaffee vor unseren Laptops und dann wird Weltgeschichte geschrieben!! Gestern Mittag wurde verkündet, dass die letzten  drei, der ursprünglich fünf zu Unrecht festgehaltenen  Nationalhelden Cubas – auch bekannt als die Cuban 5 – aus US-amerikanischen Gefängnissen entlassen wurden und bereits in Havanna angekommen seien. Endlich, nach endlosen 16 Jahren! So Raúl: “Wie Fidel im Juni 2001 versprach, als er sagte „Sie werden zurückkehren“, trafen heute Gerardo, Ramón und Antonio in unser Vaterland ein.“ Die Solidaritätsbewegungen auf allen Kontinenten jubeln und auch wir fallen uns freudetaumelnd in die Arme, denn die Freilassung der drei ist nicht nur ein persönlicher Gewinn für die Männer und ihre Familien, sondern steht symbolisch für die Beziehung zwischen den USA und Cuba. Auch die europäischen Medien überschlagen sich fast vor Euphorie, jedoch klingt aus ihren Worten nicht mehr, als die stumpfe Bewunderung gegenüber dem gütigen Obama, der das alles erst ins Rollen gebracht hätte.

Bisher standen die Nationalhelden für die ewigen Versuche imperialistischer Länder, allen voran die USA, Cuba und somit den Sozialismus zerstören zu wollen. Gleichzeitig standen sie aber auch für den  anhaltenden Kampf, um die Souveränität Cubas und die Errungenschaften der Revolution. Der US-Imperialismus* steckt so viel Energie in die Zerstörung des Sozialismus, da Cuba jeden Tag – und das seit 56 Jahren – beweist, dass eine andere Welt möglich ist. 90 Kilometer von der amerikanischen Küste entfernt, existiert ein lebendiges Beispiel dafür, dass die von den USA und den anderen kapitalistischen Großmächten propagierte Gesellschaftsform der Unterdrückung und Ausbeutung Aller, für den Reichtum und das Glück Weniger, nicht alternativlos ist. Nach der ersten und einzigen militärischen Attacke, 1961, der „Invasion der Schweinebucht“, die binnen kürzester Zeit niedergeschlagen werden konnte, griffen die USA tief in die Trickkiste, um den Sozialismus zu Grunde zu richten. Mittels Wirtschaftsblockade, Terroranschlägen, massiven Unterstützungen von Konterrevolutionären, Aufruf zur Fachkräfteabwanderung und vielem mehr, demonstrieren sie Tag für Tag, was sie alles bereit sind zu tun. Cuba musste deswegen unverhältnismäßig viel Geld für die Landesverteidigung ausgeben, Geld das andernorts fehlt. Genau hier lässt sich die Strategie der USA ablesen: Es wird kein offener Krieg mehr geführt, Cuba soll von Innen heraus scheitern, weil die äußeren Faktoren es dazu zwingen. Der kleine Inselstaat hingegen hält all den Angriffen stand, ungeachtet der Tatsache, dass sie massive Folgen auf die Lebensrealität aller Cubaner haben. Die Cuban 5, Ende der 90er junge Männer, die als freiwillige Agenten in die USA gehen wollten, um Planungen für Terroranschläge aufzudecken, damit unzählige Menschenleben gerettet werden können, verkörpern für jeden Cubaner den Einsatz für den Sozialismus. Doch wenn die Cuban 5 den Kampf um die Unabhängigkeit Cubas verkörpern, ist dieser dann durch die Freilassung der letzten drei nichtig geworden? Können wir uns dem Freudentaumel hingeben und dies als endgültigen Sieg in unserer Sache betrachten?

Wir sagen nein! Natürlich ist der gestrige Tag bahnbrechend für die Beziehungen zwischen den zwei, seit jeher verfeindeten Ländern. Allein, dass dies die erste diplomatische Auseinandersetzung der beiden Staaten seit 50 Jahren ist, lässt uns alle aufatmen, während sich im gleichen Moment die Frage für jeden Cubaner auftut – ob pro oder contra USA – was das nun für Konsequenzen haben wird. Die Eröffnung einer neuen Botschaft auf cubanischem Festland ist unumstritten ein Meilenstein. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, welche Geschichte Cuba und die USA teilen und wie gegensätzlich ihre Politik bis heute ist. Um 18Uhr MEZ hielten Barack Obama und Raúl Castro zeitgleich eine Rede, um über die Resultate der jüngsten bilateralen Gespräche zu berichten. So sagte Raúl Castro in seiner Rede, die um 12Uhr cubanischer Zeit im hiesigen Fernsehen übertragen worden ist und im Laufe derer der Gefangenenaustausch öffentlich bekannt gegeben wurde, dass die US-amerikanische und die cubanische Regierung  „…tiefe Meinungsverschiedenheiten haben, hauptsächlich in den Bereichen nationale Souveränität, Demokratie, Menschenrechte und Außenpolitik, (er bestätigte jedoch) erneut (den gemeinsamen) Willen, all diese Themen zu besprechen…“. Dies könnte der Anfang einer neuen Ära in ihrem Verhältnis zueinander sein. Wichtig ist, dass dies kein Aufgeben sozialistischer Ziele seitens der Cubaner darstellt, was von Castro betont wurde, als er sagte:“Das heldenhafte kubanische Volk hat im Angesicht großer Gefahren, Aggressionen, Widrigkeiten und Opfer bewiesen, dass es seinen Idealen von Unabhängigkeit und sozialer Gerechtigkeit treu ist und immer sein wird. Eng vereint haben wir in diesen 56 Jahren der Revolution tiefe Treue gegenüber jenen bewahrt, die seit dem Beginn unserer Unabhängigkeitskriege, von 1868 an, in Verteidigung dieser Prinzipien gefallen sind“.  Das Obama, Repräsentant der imperialistischen Politik weltweit, ganz andere Vorstellungen davon hat, wie sich die Dinge auf Cuba in Zukunft abspielen sollten, geht aus seiner Rede hervor. Er hofft, dass auf eine Öffnung der Wirtschaft nun auch eine Öffnung der Politik folgt. In einer Annäherung sieht er die Möglichkeit amerikanische Werte nach Cuba zu tragen, wie er im Laufe seiner Rede mehrfach wiederholt. .“… After all, these 50 years have shown that isolation has not worked. It’s time for a new approach. …“ (Nach Allem, haben diese 50 Jahre gezeigt, dass Isolation nicht funktioniert. Es ist Zeit für eine neue Annäherung) Obama hat erkannt, dass eine Isolation Cubas nicht dazu beiträgt, die US-amerikanischen Interessen durchzusetzen. Nach Jahrzehnten der Lockerungen und Verschärfungen einer umfassenden Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade, sieht er nun in diesem Schritt eine weitere, die Bisherigen ergänzende Variante, um dem Sozialismus ein Ende zu setzen. Zwar spielt in seiner Rede die Lockerung des Embargos eine Rolle, jedoch haben wir es hier mit nichts als Lippenbekenntnissen zu tun. Was er wirklich bereit ist in Bewegung zu setzen, werden wir in den letzten Monaten seiner Präsidentschaft sehen. Ihm und seinem Lager ist es nicht mehr egal, was die enorme Anzahl von Exilcubanern, mit hohem Einfluss insbesondere in und um Miami, von der US-amerikanischen Politik halten.

Indem Obama davon spricht, nun endlich neue Wege zu schaffen, um amerikanische Werte auf die karibische Insel zu tragen, maßt er sich an, zu behaupten, dass die kapitalistischen Werte und Normen objektiv über denen stünden, die sich Cuba gesetzt hat. Er zeigt sich jetzt als großzügiger Gönner, der die vermeintlich unterdrückten Bewohner der Insel in ihrem Kampf um mehr kapitalistische Annehmlichkeiten unterstützten möchte. So wendet  sich Obama direkt an das cubansiche Volk:

„Amerika hält euch die Hand der Freundschaft hin. Einige von euch haben uns als Quelle der Hoffnung gesehen und wir werden weiterhin als Licht der Freiheit scheinen. Andere sehen uns als ehemalige Kolonialisierer, mit der Absicht eure Zukunft zu kontrollieren. Wie José Marti einst sagte „Freiheit ist das Recht jeden Mannes ehrlich zu sein“ Heute bin ich ehrlich mit euch. Wir können niemals die Geschichte zwischen uns ausradieren aber wir glauben daran, dass ihr darin bestärkt werden solltet, ein Leben voll Würde und Selbstbestimmung zu führen. Cubaner sagen über ihr tägliches Leben stets: „No es facil“ – es ist nicht einfach. Heute möchten die Vereinigten Staaten ein Partner darin sein, das Leben des einfachen Cubaners etwas einfacher zu machen, etwas freier, etwas wohlhabender.“

Selbstverständlich kann er, als Repräsentant des Landes, dass Urheber der größten Miseren Cubas ist, dies nicht in seiner eigenen Rede anprangern. Cuba jedoch vorzuwerfen seine Bevölkerung lebe in Armut, Gefangenschaft und Terror und anzubieten, die USA würden sie nun daraus befreien, grenzt an Unverschämtheit. Die Zustände auf Cuba sind nicht paradiesisch – das würde auch keiner wagen zu behaupten. Doch viele der materiellen Mängel sind direkte Folgen der Wirtschaftsblockade, viele vermeintlichen Mängel an Freiheit sind eine Frage der Interpretation. Für Obama ist es Demokratie, wenn man alle paar Jahre ein Kreuz auf ein Papier setzt, auf Cuba ist es die beständige Möglichkeit jedes Bürgers, im Nachbarschaftskomitee oder in den Massenorganisationen, für seine Interessen einzustehen sowie durch direkt gewählte Repräsentanten in den Kommunal- Regional- und Nationalversammlungen seine Interessen vertreten zu sehen. Für Obama ist es Pressefreiheit, wenn keiner sich traut die Machenschaften seiner Regierung offenzulegen, auf Cuba ist es die Ermunterung der Journalisten der staatlichen Zeitung, sich häufiger kritisch gegenüber den Zuständen zu äußern. Wir könnten ewig so weiter machen. Wer zwischen den Zeilen liest, merkt, dass Obama mit seiner Rede einen weiteren Versuch unternimmt, Cuba in ein schlechtes Licht zu rücken, um die USA daneben glänzen lassen zu können. Wer jedoch weiterhin nicht darüber hinaus kommt, Obama als den rechtmäßigen Träger des Friedensnobelpreises anzusehen, einen Mann der Demokratie, Frieden und Reichtum auf der Welt verbreiten möchte, wird mit dieser Rede erneut in seinem verzerrten Bild bestätigt.

Was verspricht sich die USA von diesem Schachzug? Die Intention, die da hinter steht ist natürlich wirtschaftlicher Natur. In diesem Fall, möchte sich die USA keine Handelspartnerschaften mit Lateinamerika verbauen, da Lateinamerika eine der wichtigsten Quellen für Rohstoff ist und Länder wie Brasilien zur wirtschaftlichen Großmacht aufsteigen. Die USA versucht schon seit Jahrzehnten vergeblich eine Handelszone in Amerika ohne Cuba aufzubauen. Mit der Gründung der CELAC, in der beinahe alle Länder Amerikas außer der USA und Kanada vereint sind und dessen zweites Gipfeltreffen in Cuba statt gefunden hat, wird klar, dass man an Cuba nicht mehr vorbei kommt, wenn man mit Lateinamerika handeln möchte. Die VR-China baut ihre Beziehungen nach Lateinamerika immer weiter aus, während immer mehr US-Konzerne raus geschmissen werden. Auch weitere Länder werden in Zukunft, auf Grund der wirtschaftlichen Öffnung Cubas, Handel mit der Insel treiben wollen. Außerdem könnte es die USA auch auf die kürzlich vor Cubas Küste entdeckte Ölquelle abgesehen haben. Es brodelt also heftig unter der Oberfläche und es wird erneut deutlich, dass Obamas Entscheidung wenig mit einer Annäherung an Cuba gemein hat. Auch Castro hebt dies hervor, als er sagt, „…dass das Wichtigste (nicht) gelöst sei. Die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die unserem Land enorme menschliche und ökonomische Schäden zufügt, muss enden…“. Dass die USA dies jedoch nicht in Betracht zieht, zeigt sich in den regelmäßigen Abstimmungen zur Aufhebung des Wirtschaftsembargos, in denen 186 Länder dafür stimmen, drei Länder sich ihrer Stimme enthalten und nur Israel und die USA sich dagegen positionieren. So werden Unternehmen, die mit Cuba handeln, weiterhin dafür bestraft, wenn sie sich dem Diktat der USA widersetzen. Erst vor wenigen Tagen wurde die Commerzbank dazu aufgefordert eine Milliarde Dollar Strafe zu zahlen, da sie mit Cuba in wirtschaftlicher Verbindung stand. All diese Fakten strafen Obamas Lippenbekenntnisse zur Wirtschaftsblockade als Lüge. Die massiven Unterschiede zwischen einem kapitalistischen und einem sozialistischen System sind nun mal nicht einfach aus der Welt zu schaffen. Auch durch kein Telefongespräch der Welt.

Trotzdem ist dies ein erster Schritt, der nur durch den internationalen Protest errungen werden konnte. Durch die vielen Menschen in und außerhalb Cubas, aber insbesondere durch die cubanische Gemeinschaft in Amerika. Bleiben wir stark und kämpfen weiter für eine gerechtere Welt, für eine Welt in Frieden, in der die Menschen an erster Stelle stehen! Unser Dank gilt nicht Obama, er gilt den unzähligen Menschen der weltweiten Solidaritätsbewegung, die unermüdlich für die Freiheit der Fünf gekämpft haben. Hoch die internationale Solidarität!!

Dieser Artikel ist ein kollektives Werk!

* Imperialismus: Das ist ein Stadium des Kapitalismus, in dem sich jedwede Zustände zugespitzt haben. Die Produktion und das Kapital konzentrieren sich in einigen wenigen Händen, es entstehen Monopole. Doch diese Monopole haben nicht mehr nur nationalen Charakter, sondern erheben sich auf internationaler Ebene, auf der sie sich einen Krieg untereinander liefern. Gleichzeitig haben die großen imperialistischen Staaten jeder für sich ein Interesse daran,  einen möglichst großen Teil der Welt zu kontrollieren, ihn als Absatzmarkt oder Rohstoffquelle für sich zu beanspruchen. Die Zeit des Imperialismus ist eine Zeit der Aufteilung der Welt unter den Großmächten, ohne die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bevölkerung, sondern einzig allein mit einem Ziel: Mehr Profit für Wenige.

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