Neuer Hip-Hop im alten Havanna

Meine Gruppe und ich sind in Habana-Vieja (Alt-Havanna) unterwegs und laufen durch den Regen. Die Umgebung ist sehr belebt,überall sieht man Menschen, die ihren Tätigkeiten nachgehen. Dieser Stadtteil fällt durch viele der alten Kolonialbauten auf, die als Weltkulturerbe anerkannt sind, da sie auf einer solch großen Fläche nur noch selten erhalten sind. Ich habe deshalb oft das Gefühl, dass ich eine Zeitreise mache, wenn ich in Cuba unterwegs bin.

Da sind zum einem die bekannten Oldtimer, deren Abgase sich mit dem Essensgeruch der Kiosquos vermischen, zum anderem die alten Gebäude von deren Balkons nahezu überall die Wäsche zum trocknen hängt. Auch sieht man oft Kinder auf ihren Rollbrettern oder mit dem Fußball, während man die Älteren nicht selten beim Domino spielen antrifft. In Havanna geht es meist sehr lebhaft zu. Das heißt, dass das eigentliche Leben auf der Straße stattfindet , die Menschen pflegen hier ein angenehmes und lebhaftes Miteinander. Oft kommen wir in Gespräche oder werden Zeuge spannender Momente die ihre Eindrücke bei uns hinterlassen.

Es ist ein grauer und schwüler Mittag, den wir nutzen möchten, um uns vom Museo de bellas artes (Museum der schönen Künste) einen Eindruck zu machen. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Kreativität der cubanischen Künstler äußert und was sie in mir auslöst. Wir laufen durch die Straßen und ich werde angesprochen: ,,Do you like cuban Hip Hop?“ Ich bin zuerst irritiert, da ich mit einer solchen Frage nicht gerechnet habe. Ich antworte ihm, dass ich sehr gerne Hip Hop höre, ich jedoch mit cubanischem bisher nicht in Kontakt kam. Anscheinend war dies seine Motivation, mir sofort eine Kostprobe mit seinem Compañero zu geben. Ohne Musik und Vorlage legt er gleich einen Freestyle hin, der es in sich hat,sein Kollege tanzt dazu und macht die Beatbox. Meine Freunde und ich sind sofort tief beeindruckt. Die Performance geht schon 5 Minuten und er fragt uns nach unseren Namen und woher wir kommen., woraufhin wir schnell ins Gespräch kommen. Kurz darauf bekommen wir noch einen eigenen Freestyle in dem er unsere Namen mixt. Ich werde etwas verlegen, wann bekommt man schonmal einen cubanischen Freestyle dieser Art mit Widmung zu hören? Ich habe zwar nicht mehr so viel Geldbei mir, aber ich entscheide mich mit einem mulmigem Gefühl, ihm meine restlichen Moneda Nacional zu geben. Wir fühlen immer diesen Zwiespalt, wenn wir in Havanna Vieja unterwegs sind, was der touristischste Teil der Stadt ist. Dort wird man häufig um ein paar Peso angehauen, denn das wir von außerhalb kommen, sieht man uns sofort an. Wir wissen, dass genau diese Bettelei die Einkommensunterschiede zwischen den Cubanern vergrößert, denn durch ein paar Stunden mit traurigem Gesicht in der Einkaufsstraße stehen, kann man schnell mehr verdienen, als der durchschnittliche cubanische Arbeiter im Monat zur Verfügung hat. Um diese Spaltung durch die Touristenwährung* nicht voranzutreiben, geben wir normalerweise solchen Leuten kein Geld, da wir wissen das jedem Cubaner eine Grundversorgung an Lebensmitteln durch den Staat zur Verfügung gestellt wird und keiner Grund zu betteln hat. In diesem Fall jedoch möchte ich dem Rapper meine Wertschätzung für seine Kunst entgegenbringen und gebe ihm deshalb eher symbolisch einen kleinen Betrag.

Ich denke darüber nach, wie ich solche Begegnungen in Deutschland erlebe.   Meist findet man Straßenmusiker ebenfalls in großen Städten an Plätzen, wo viele Menschen anzutreffen sind. Es gibt Leute, die Straßenmusiker eher abwertend gegenüberstehen. Sie werden von ihnen als lästig empfunden, weil sie das Stadtbild verunstalten würden oder sie werden schlichtweg belächelt. Den meisten Menschen sind sie jedoch egal und ihre Kunst findet keinen Anklang. Es gibt jedoch auch Leute die sie als das schätzen was sie sind: Künstler. In Kuba ist es normal, dass man in der Stadt an sämtlichen Ecken Musik hört und dass es im Vergleich zu Deutschland eher laut zu geht. Musik, Tanz und Künstler jeglicher Art werden hier sehr geschätzt und sind fest im Stadtbild verankert. Ich kann mir Kuba ohne Musik gar nicht vorstellen. Im Museum bin ich übrigens sehr von der Kreativität und Vielfalt der cubanischen Künstler beeindruckt worden. Zum Beispiel findet man dort, die exakte Nachbildung einer Isolationszelle eines US-amerikanischen Gefägnisses, in der jeder der Cuban Five mehr als 17 Monate zu Unrecht festgehalten wurde. Die Cuban 5 sind fünf cubanische Männer, die in den USA gegen den Terrorismus gekämpft haben. Man kann in dieser Zelle einen kleinen Eindruck bekommen, was es bedeutet auch nur ein paar Minuten an so einem Ort gefangen zu sein. Es ist ein beklemmendes und bedrückendes Gefühl was einen hierbei überkommt und deshalb bin ich froh, kurz danach wieder auf Havannas belebten, weiten Straßen laufen zu können. Soweit meine Abschweifung in Sachen Kunst und deren Wahrnehmung.

Hier geht es zu mehr Artikeln von Kolja.

*Wer mehr über die Währungen auf Cuba erfahren will, kommt hier zu einem Artikel von Sophie

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